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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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hoch gewachsen, dass ich nicht darübersehen konnte. Trotzdem fiel es mir leicht, meine Schwestern zu finden. Das lag an Trudchens vorlautem Mundwerk.
    »Wann kommt denn endlich Madlen?«, hörte ich ihre schrille Stimme. Heinrich hatte immer gesagt, mit ihr könne man auch Rost vom Eisen kratzen.
    »Ich bin ja schon da!«, rief ich, als ich die letzte Hecke hinter mir ließ.
    Sie arbeiteten auf dem kleinsten unserer drei Felder, kaum größer als der Kräutergarten der Burg. Trudchen richtete sich auf, als sie mich sah. Schweißnasses Haar hing ihr ins Gesicht. Das Gebende trug sie am Gürtel. Weit und breit war kein Mann zu sehen, also zog ich meines auch ab und schüttelte die Haare aus. Eine Brise wirbelte sie durcheinander und kühlte meinen Kopf. Einen Moment lang fühlte ich mich frei.
    »Hast du Brot?«, fragte Trudchen.
    Ich hob die Hand hoch, in der ich den Beutel hielt. »Mit Soße.«
    Sie lächelte breit. Hilde, meine jüngere Schwester, hockte ungerührt neben ihr am Boden und zog Wurzeln heraus. Trudchen tippte ihr auf die Schulter. Sie drehte sich um, sah mich – und den Beutel – und lächelte. Die Familienähnlichkeit war unverkennbar. Ich wusste nicht, ob auch ich so lächelte.
    Ich ging am Rand des Feldes zu einem Baumstumpf, den Heinrich jahrelang hatte ausgraben wollen, öffnete den Beutel und breitete den Inhalt auf dem Baumstumpf aus.
    »Wo ist Mutter?«, fragte ich, während ich mit meinem Messer die letzten Soßenreste vom Leinen kratzte und auf das Brot schmierte.
    »Ich habe sie nach Hause geschickt.« Trudchen hockte sich neben mich und griff nach dem dicksten Brotkanten. »Sie ist ja schon fast umgefallen.«
    Hilde kam hinzu. Dankbar berührte sie meinen Arm, dann begann auch sie zu essen. Seit einem schweren Fieber, das sie als Kleinkind beinahe umgebracht hatte, war sie taub. Sie hatte nie gelernt zu sprechen, stieß nur im Schlaf ab und zu stöhnende Laute aus. Kein Mann würde sie je heiraten, das wussten wir, obwohl wir nie darüber sprachen. Eine Mitgift hatten wir auch nicht für sie zusammengespart.
    Trudchen würde noch im Frühjahr einen Gemüsebauern namens Hermann heiraten. Eine gute Partie, denn zwei unserer Felder lagen direkt neben seinen.
    »Der letzte Winter war hart für Mutter«, sagte ich, während meine Schwestern aßen.
    »Warte nur ab«, sagte Trudchen mit vollem Mund. Sie griff nach dem Lederschlauch, der an dem Baumstumpf lehnte, trank einen großen Schluck Bier und rülpste. »Mit der Wärme wird auch ihre Kraft zurückkehren. Sie bleibt uns noch lange erhalten.«
    Trudchen hing sehr an Mutter, vielleicht weil sie ihre jüngste Tochter war. Ich war die älteste, die noch lebte.
    Hilde nahm die letzten beiden Brotkanten und schlug sie wieder in das Tuch ein. Dann kehrte sie zurück zur Arbeit. Trudchen und ich folgten ihr. Uns blieb nicht mehr viel Zeit bis zur Roggenaussaat, da zählte jede Stunde.
    Wir arbeiteten, bis wir kaum noch den Boden unter unseren Händen sahen, dann nahmen wir den fast leeren Schlauch und den Brotbeutel und gingen zurück ins Dorf.
    Mit uns kehrten auch viele andere von ihren Feldern zurück. Man nickte sich zu, sagte aber kaum etwas. Müdigkeit drückte auf die Stimmung.
    »Bist du schon aufgeregt?«, fragte Trudchen, als wir zwischen dunklen Hütten und an Kräutergärten vorbei auf die Kirche zugingen. Außer dem Meckern der Ziegen und dem Gackern der Hühner war kaum etwas zu hören.
    »Weshalb?«
    »Weshalb?« Sie verdrehte die Augen. »Tue nicht so weltgewandt. Wegen morgen natürlich.«
    Die Pilgerfahrt. Trudchen konnte ja nicht wissen, was geschehen war.
    Sie sah mich erwartungsvoll an. Ich wollte ihr vom Schultheiß erzählen, aber allein der Gedanke trieb mir die Tränen in die Augen. Schließlich nickte ich nur.
    »Wann geht es los?«
    »Wir treffen uns vor Sonnenaufgang an der Anlegestelle.« Die Lüge kam mir so leicht über die Lippen, dass ich mich schämte. Wieso konnte ich Trudchen nicht sagen, was geschehen war? Sie würde es doch ohnehin herausfinden, wenn sie mich am nächsten Morgen sah.
    »Ich wünschte, ich könnte mitkommen.« Trudchen blickte ins Nichts. Es sah aus, als träume sie. »Köln. So weit weg.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Schamesröte stieg mir ins Gesicht, aber es war so dunkel, dass weder Trudchen noch Hilde etwas davon bemerkten.
    Wir überquerten den kleinen Kirchplatz mit seinem steinernen Brunnen und dem leeren Pranger und bekreuzigten uns, als wir am Friedhof

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