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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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bereits zugedeckt. Ich folgte ihnen, obwohl sich alles in mir dagegen sträubte. Ich musste erfahren, was geschehen war.
    Die Schatten der Felsen fielen lang über den Schnee. Beinahe verlor ich die Spur dort, doch nach einem Moment fand ich sie wieder. Sie führte zu einer Spalte. Etwas flackerte darin. Ich sah hinein, aber der Felsspalt knickte ab. Ich konnte nichts erkennen, hörte nur leise Stimmen.
    Vorsichtig schob ich mich hinein. Sand knirschte unter meinen Füßen. Das Flackern wurde heller. Irgendwo vor mir brannte ein Feuer. Rauch zog träge an mir vorbei. Ich war in einer Höhle.
    Ich beugte mich zur Seite, bis ich an dem Fels vorbeisehen konnte.
    Fünf Brüder saßen um ein Lagerfeuer. Ich erkannte Hermann und Michael, die Namen der drei anderen kannte ich nicht. Lukas stand neben ihnen. Er trennte mit einem Messer Fleisch von einem Knochen.
    Ich biss mir auf die Lippen, bis ich Blut schmeckte. Am Ende des Knochens saß ein menschlicher Fuß.
    »Mutter?«
    Ich fuhr herum und prallte gegen eine Schulter. Hände griffen nach mir. Ich schlug sie weg, versuchte meinen Sohn zur Seite zu drängen, doch im gleichen Moment riss mich jemand zurück. Ich fiel hart auf den Stein.
    »Lauf weg!«, schrie ich. »Du weißt nicht, was hier geschieht!«
    »Doch, das weiß ich«, sagte Konrad.

Kapitel 23
    Mit beiden Händen stieß ich Konrad zurück, sprang über ihn, als er fiel, und lief aus der Höhle, hinein in die Dunkelheit. Hinter mir wurden Stimmen laut.
    »Schnappt die Judenhure!«
    »Was macht ihr denn?«
    Meine Füße versanken im Schnee, ich stolperte, fing mich, rannte den Berg weiter hinauf. Alle Gedanken schwanden aus mir, nur Bilder blieben, mischten sich in die Flocken. Ich sah Lukas’ Überraschung, Konrads teilnahmsloses Gesicht – und den Fuß. Immer wieder den Fuß.
    Ich hustete und würgte, taumelte und rannte. Die Kälte brannte in meiner Kehle, meine Beine wurden schwer. Felsen schälten sich aus der Dunkelheit wie Säulen hervor, die einen grauen Himmel trugen. Ich lief zwischen ihnen hindurch.
    Meine Zehen prallten gegen etwas Hartes. Schmerz schoss durch meinen Fuß. Ich stürzte, presste eine Hand auf den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Krämpfe zuckten durch meine Beine. Ich zitterte so sehr, dass ich nicht aufstehen konnte.
    Ich hörte knirschende Schritte, sah mich hastig um, aber außer dem Felsen, hinter dem ich lag, schien es kein Versteck zu geben. Mit den Händen schaufelte ich Schnee über meinen Körper; sie waren steif wie Holz und schmerzten, aber ich hörte nicht auf, wühlte mich in den Schnee hinein.
    Das Knirschen kam näher und brach ab.
    »Wie viel weiter noch?«, fragte Hermann.
    »Noch ein wenig.«
    Ich zuckte zusammen. Das war Konrads Stimme.
    »Ich verstehe nicht, weshalb wir das Wunder geheim halten. Soll die Ju… deine Mutter doch allen davon erzählen. Dann können sie auch daran teilhaben.«
    »Sie würden es nicht begreifen. Menschen sind dumm.«
    Konrad klang kalt und fremd. Hätte ich seine Stimme nicht erkannt, nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass mein Sohn so etwas sagte.
    »Und was passiert mit ihr, wenn wir sie finden?«, fragte Hermann. Er ging langsam weiter. »Muss sie ster…«
    »Nein«, unterbrach ihn Konrad rasch, als wäre dies ein Wort, das er nicht ausgesprochen hören wollte. »Natürlich nicht. Ich bin sicher, dass sie alles verstehen wird, wenn Lukas es ihr erklärt.«
    Seine Stimme wurde leiser. Hermann antwortete etwas, aber es ging im Fauchen des Winds unter. Ich hörte nur »Nicolaus«, dann nichts mehr.
    Er ist noch nicht verloren, dachte ich. Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, klammerte ich mich an seine Worte. Egal, wovon Lukas ihn überzeugt hat, egal, was er getan hat.
    Der Fuß …
    Er ist nicht bereit, mir etwas anzutun. Es ist Gutes in ihm …
    Die Kälte des Schnees kroch in meinen Körper, doch ich wagte es noch nicht aufzustehen. Ich dachte an das, was ich als Nächstes tun würde: Ich musste Nicolaus sagen, was Lukas hinter seinem Rücken tat. Niemand sonst durfte etwas davon erfahren, selbst Hugo nicht. Er hätte seinen eigenen Bruder getötet, hätte er geglaubt, dass der Teufel von ihm Besitz ergriffen hätte. Und vielleicht war es so. Vielleicht kämpfte Konrad in diesem Moment um seine Seele.
    Ich setzte mich auf, als die Kälte unerträglich wurde. Über mir schimmerten Sterne zwischen den Wolken hindurch. Der Schneefall ließ nach. Meine Beine zitterten unter meinem Gewicht, aber die Krämpfe, die

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