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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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Erkenntnis, dass ich schon viel früher um Vergebung hätte bitten müssen. Doch alles war wie zuvor.
    Lena atmete tief durch. Schnee lag wie eine Haube auf ihren Haaren. »Er kann dir für so etwas nicht ver…«
    Rüdigers Stimme unterbrach sie. »Alles raus! Sammelt euch. Der Sturm legt sich!« Er stapfte durch den Schnee vor unserem Unterschlupf, winkte und gestikulierte.
    Er hatte recht. Der Sturm ließ tatsächlich nach. Der blutrote Himmel hellte sich auf, aber es schneite immer noch so stark, dass man kaum eine Mannlänge weit sehen konnte.
    »Los!«, brüllte er. »Wir müssen weiter!«
    Cornelius lachte. »Das waren wir. Gott hat unsere Beichte angenommen.«
    Ich stand auf und reichte ihm seinen durchnässten Umhang. Lena starrte mich von der Seite her an.
    »Geh zurück zu den Brüdern«, sagte ich. »Richte Konrad und Hugo aus, dass es mir gutgeht.«
    Er verschwand zwischen den Schneeflocken. Ich wollte ihm folgen, bemerkte aber dann, dass Lena sich von mir abwandte.
    »Wo willst du hin?«
    Sie winkte ab. »Ich gehe mit Rüdiger. Was du getan hast …« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. Schnee fiel auf ihre Schultern. »Das kann dir niemand vergeben. Ich will nicht, dass Gott mich mit dir sieht.«
    »Du weißt doch gar nicht, was er getan hat.« Ich machte einen Schritt auf sie zu, aber Lena drehte sich um und lief Rüdiger nach.
    Ich hörte, wie sie seinen Namen rief, dann sah ich nur noch wirbelnde Flocken.
    Wir kämpften uns durch den Schnee, verlorene graue Gestalten in einer wirren, weißen Welt. Anfangs achtete ich noch darauf, in der Nähe der anderen zu bleiben, doch nach einer Weile zählte nichts mehr außer dem nächsten Schritt. Manchmal sank ich bis zu den Waden ein, dann wieder stolperte ich über vereisten Fels.
    Der Weg war unter dem Schnee verborgen, ich wusste längst nicht mehr, ob ich mich noch auf ihm befand oder meinem Tod entgegenging. Einmal wurde einer der Soldaten nicht weit weg von mir von einer Felsspalte verschluckt, ein anderes Mal brach der Schnee unter einem Mädchen ein. Ich suchte nach ihr, fand aber nur ein Loch, dessen Boden ich nicht sehen konnte. Irgendwann drehte ich mich um und merkte, dass ich allein war.
    Ich blieb stehen. Mein Herz hämmerte bis in die Schläfen. Um mich herum wirbelte Schnee. Ich rief nach Lena, nach Konrad, Hugo, jedem, der mir einfiel, aber niemand antwortete. Mühsam zwang ich mich zur Ruhe. Tausende waren auf dem Berghang unterwegs. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich jemanden finden würde.
    Der Berghang wurde steiler. Immer wieder rutschte ich aus. Meine Füße hatte ich in Leinen und Wolle eingewickelt. In den ersten Stunden hatte das die Kälte abgehalten, doch mittlerweile waren die Stoffe durchnässt, und der Schnee bildete kleine harte Klumpen an den Fasern, die gegen meine Fußsohlen drückten.
    Mit der Dunkelheit kam die Angst. Immer wieder drehte ich mich um, aber ich sah nur Fels und Schnee. Der Berggipfel ragte schwarz über mir auf, die Rückenschuppe des Drachen, der mich gefangen hielt. Alles hätte ich für einen Sonnenstrahl gegeben, sogar meine Seele. Wenn der Teufel in diesem Moment zu mir gekommen wäre, so dachte ich, hätte ich sie ihm verkauft.
    Ein Schatten huschte einen Steinwurf vor mir durch den Schnee. Ich zuckte zusammen, verfluchte meine frevlerischen Gedanken und zögerte, bevor ich nach ihm rief. Es kam keine Antwort. Die Schneeflocken dämpften jedes Geräusch.
    Ich ging auf die Stelle zu, an der ich ihn zu sehen geglaubt hatte, und stolperte. Jemand lag im Schnee. Graue Wolle bedeckte einen Körper.
    Ich bückte mich, zog den Stoff zurück und blickte in Gottfrieds starres Gesicht.
    Seine Augen waren geschlossen, der Mund stand offen. Er hatte sich zusammengerollt und seinen verkrüppelten Arm unter den Kopf geschoben, als wäre der Schnee sein Nachtlager. Es sah aus, als würde er schlafen.
    »Gottfried«, sagte ich leise und legte den Stoff vorsichtig wieder über sein Gesicht. »Möge Gott gerechter zu dir sein, als du es zu anderen warst.«
    Und dann sah ich es. Mit einem Schrei wich ich zurück.
    Sein linkes Bein fehlte. Ein zertrümmerter Oberschenkelknochen ragte unter seinem Umhang hervor. Der Schnee um ihn herum war rot. Ich sah Fußspuren darin.
    Hastig drehte ich den Kopf, glaubte bereits den Teufel hinter mir zu spüren, doch da war nichts.
    Ich ging an der Leiche vorbei, sah, dass die Spuren seitlich zwischen einige Felsen führten. Sie mussten frisch sein, sonst hätte der Schnee sie

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