Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)
dunkle Haut. Aber er war älter. Graue Strähnen durchzogen sein Haar.
»Was?«, fragte ich.
»Deine Finger.« Er ging um mein Lager herum und reichte mir einen Kelch. »Wenn dich die Soldaten nicht so schnell in der Lawine entdeckt hätten, müsstest du von jetzt an mit den Füßen essen.« Er lächelte knapp.
Ich setzte mich auf, nahm den Kelch in beide Hände und trank. Der Wein darin war warm und schmeckte nach Nelken. »Wo … bin ich?«
»Vor dem Gotthardpass. Oder dahinter, wenn man es von der Richtung her betrachtet, aus der du gekommen bist.«
Ich hätte mich beinahe verschluckt. »Dann haben wir es geschafft?«
» Du hast es geschafft.« Er nahm den leeren Kelch und stellte ihn auf einen Holztisch. »Wir wissen nicht, was aus den anderen geworden ist, von denen du im Fieber gesprochen hast. Unsere Pa trouillen haben niemanden gefunden, noch nicht einmal Leichen.« Mein Gesicht schien meine Gefühle widerzuspiegeln, denn er fügte rasch hinzu: »Was nichts bedeuten muss. Es gibt Dutzende kleiner Pässe in diesen Bergen, die sie haben nehmen können.«
Ich versuchte ihm zu glauben, aber das fiel mir schwer.
Er räusperte sich. »Mein Herr hat darum gebeten, dich zu ihm zu bringen, sobald es dir besser geht. Auf der Truhe liegt frische Kleidung, leider nichts, was einer … äh …«, einen Moment lang suchte er nach dem richtigen Wort, »… einer Dame angemessen wäre. Zieh dich an und komm dann zu mir. Ich werde vor dem Zelt warten.«
Er ging zum Eingang. Ich wollte bereits die Decken zurückschlagen, als er sich noch einmal umdrehte. »Oh, ich habe mich nicht vorgestellt. Mein Name ist Abdul.«
»Bist du Spanier?«, fragte ich.
»Nein, ich stamme aus Damaskus.«
Er schien eine Reaktion zu erwarten, doch ich wusste nicht, welche.
»Aha«, sagte ich schließlich nur.
Abdul hob die Augenbrauen.
»Beeil dich bitte«, sagte er, dann verließ er das Zelt.
Ich warf die Felle und Decken beiseite und errötete, als ich meiner Nacktheit gewahr wurde. Jemand musste mich ausgezogen und gewaschen haben. Sogar mein Haar roch frisch.
Ich nahm mir vor, Abdul nicht danach zu fragen. Ich hätte mich zu Tode geschämt, wenn er es gewesen wäre.
Rasch schlüpfte ich in die viel zu weiten Beinlinge, die auf der Truhe gelegen hatten, und zog mir ein Leinenhemd über den Kopf. Es war so groß, dass es mir bis über die Knie reichte. Der jenige, der die Kleidung bereitgelegt hatte, hatte neben einem Schal auch einige Stricke hinterlassen. Mit einem schnürte ich die Beinlinge zusammen, mit einem anderen das Hemd. Den Schal legte ich über mein Haar, den Umhang über die Schultern. Nur die Stiefel ließ ich stehen. Sie hätten mir nicht gepasst.
Ich schlug die Stoffbahn, die den Eingang verdeckte, zurück und trat hinaus in den grauen Nachmittag.
Einige Soldaten mit glänzenden Brustplatten und hochgeschobenen Visieren führten ihre Pferde an mir vorbei durch das Lager. Hinter ihnen ragten Berge und Felsen empor. In den Schatten lag Schnee.
Es war ein kleines Lager, nicht annährend mit denen zu vergleichen, die der Kreuzzug aufgeschlagen hatte. Ich sah Zelte, vor denen Männer saßen und ihre Waffen reinigten. Sie warfen mir neugierige Blicke zu. Einer stieß den Soldaten neben sich an und wies mit einem Kopfnicken in meine Richtung. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, blickte er zur Seite.
Abdul musterte meine Kleidung.
»Das wird gehen. Komm.«
Er führte mich an Pfützen vorbei und zwischen den Zelten hindurch. Der Boden bestand aus Schlamm und Pferdekot. Ich bemühte mich, beidem auszuweichen, trotzdem waren meine braunen Beinlinge voller Spritzer, als wir vor einem Zelt stehen blieben, das größer als die anderen war. Vor ihm steckte ein Speer im Boden, an dem ein Schild mit Wappen hing.
»Warte hier«, sagte Abdul und verschwand im Zelt.
Ich hörte dumpfe Stimmen und sah Schemen hinter den hellen Stoffbahnen. Ich strich den Schal auf meinen Haaren glatt. Meine Kleidung ziemte sich nicht. Ich fühlte mich unwohl ohne den langen Rock, den ich gewohnt war.
Die Zeltbahn wurde zurückgeschlagen, und Abdul winkte mich hinein. »Mein Herr hat jetzt Zeit für dich.«
Ich duckte mich unter dem Stoff hindurch und betrat das Zelt. Abdul verließ es hinter mir.
Meine Füße berührten Teppiche, so weich wie Schnee und so warm wie eine Sommerwiese. Ich dachte an den Schlamm, den ich hineintrug, und blieb stehen.
Zwei Männer sahen mich an. Sie saßen auf breiten Holzstühlen mit gepolsterten Lehnen. Der
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