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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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beschämt?«
    Mir wurde erst klar, dass Hugo und Konrad neben mir knieten, als sie Ja sagten. Ich zögerte nicht. Gott hatte mich auf diese Reise geschickt. Er hatte mich mit meinen Söhnen zusammengebracht und mich vor eine Wahl gestellt, die mich entweder auf ewig von ihnen trennen oder gemeinsam mit ihnen ins Unbekannte führen würde. Ich konnte nicht glauben, dass es mir bestimmt war, sie nie wiederzusehen.
    »Ja«, sagte ich.
    Nicolaus nahm mich bei der Hand und half mir auf. Konrad und Hugo erhoben sich ebenfalls. Ihre Wangen waren vor Auf regung gerötet.
    »Dann seid ihr jetzt Kreuzfahrer. Möge Gott uns den Sieg bringen.«
    Der Soldat wollte sich abwenden, aber Vater Ignatius hielt ihn auf. »Wo gehst du hin?«
    »Sie ist eine Kreuzfahrer…in.« Er sagte das Wort stockend, als habe er es noch nie ausgesprochen. »Damit ist die Sache für mich erledigt.«
    »Man kann doch nicht einfach einen Schwur vor irgendeinem Bauernlümmel …«
    Der Soldat hob die Hand. »Dem Jungen ist ein Engel erschienen. Versündigt Euch nicht, Vater.« Er hob die Schultern. »Kreuzfahrer unterliegen nicht der weltlichen Gerichtsbarkeit. So hat man mir das beigebracht. Gott kann sie richten, ich nicht.«
    Ein abgerissen wirkender Mann, den ein Brandmal auf der Wange als Dieb auswies, löste sich aus der Menge. »Ich möchte auch Kreuzfahrer werden.«
    »Ich auch«, rief ein anderer.
    Der Ruf setzte sich fort, wurde aufgenommen von Männern, Greisen, Frauen und Kindern. Nach und nach knieten sie nieder, bis keiner von ihnen mehr stand.
    Vater Ignatius sah mich an. In seinem Blick lagen Bitterkeit und Enttäuschung. »Das ist der Kreuzzug des Teufels, Kind. Du läufst in dein Verderben.«
    »Gott wird uns schützen.«
    Vater Ignatius schüttelte den Kopf und ging. Als er in der Menge verschwand, fühlte ich mich, als habe man mir Ketten abgenommen.
    In dieser Nacht feierten wir die Ostermesse unter freiem Himmel. Es war kalt und sternklar, doch die Feuer wärmten uns. Ab und zu kamen Bauern vorbei, schenkten uns Eier, Brot und Brennholz. Ein Händler ließ sogar einige Fässer Wein bringen und verlangte im Gegenzug nur, dass wir am Heiligen Grab für ihn beten würden.
    Wir sangen und beteten die ganze Nacht hindurch. Es war kein Priester unter uns, aber es fanden sich genügend fromme Männer, um ihre Stelle einzunehmen. Sie erzählten die Oster geschichte abwechselnd. Einer sprang für den anderen ein, wenn der nicht mehr weiterwusste.
    Hugo und Konrad schliefen irgendwann am Feuer ein. Ich hätte mich am liebsten zu ihnen gelegt, aber jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich Wilhelm vor mir, nicht am Boden liegend, wie ich ihn zurückgelassen hatte, sondern aufgerichtet und mit geschürzten Lippen, als wolle er mich küssen. Es war besser, die Augen nicht zu schließen und stattdessen an das zu denken, was vor uns lag.
    Ich hatte noch nie eine Landkarte gesehen und wusste nicht, wo das Heilige Land lag. Es musste dort Wüsten geben und Schlangen, so viel wusste ich aus der Bibel. Doch wenn ich versuchte, mir Jerusalem oder das Heilige Grab vorzustellen, sah ich nur die Heiligen, die auf den vom Grafen gespendeten Gemälden in der Dorfkirche abgebildet waren, und die Kreuze auf dem Berg Golgatha.
    »Die Menschen dort sind größer als wir«, sagte ein Mann, als wir bei Sonnenaufgang frühstückten. Er war alt und hatte einen verkrüppelten Arm, der nutzlos an seiner Seite hing. Die Hand daran sah aus wie die eine Kindes, weich und faltenlos. Alle am Feuer hörten zu, wenn er etwas sagte. Sein Name war Gottfried. »Sie werden nicht krank«, fuhr er fort, »weil sie auf heiligem Boden leben. Es gibt immer genug zu essen, und alle sind wohl genährt.«
    »Sterben sie?«, fragte Konrad. Er hatte die Knie angezogen und stützte den Kopf darauf. Ich wusste, dass er an seinen V ater dachte.
    Gottfried hob die Schultern. »Ich weiß es nicht.«
    »Cornelius?«
    Ich drehte mich um. Eine Frau lief über die Rheinwiesen. Ihre Röcke wehten im Wind.
    »Cornelius?«
    An einem Feuer nicht weit von uns entfernt stand ein Junge auf. Er war besser gekleidet als die meisten und trug Stiefel aus Leder. Ich schätzte, dass er noch keine zehn Jahre alt war.
    »Mutter?«
    Die Frau fuhr herum, als sie die Stimme hörte. »Gott sei Dank, da bist du ja.«
    Sie ging auf ihn zu, ergriff seine Hand und wollte ihn vom Feuer wegziehen. Cornelius wehrte sich, versuchte sich aus ihrem Griff zu winden. »Nein, lass mich los. Ich bin Kreuzfahrer.«
    »Was

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