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Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition)

Titel: Das Schwert und die Lämmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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bist du?« Mit ihrer freien Hand ohrfeigte sie ihn. Tränen liefen über Cornelius’ Wangen. »Du bist mein Sohn, und du tust, was ich dir sage.«
    »Er war nie dein Sohn, sondern Gottes Sohn.« Nicolaus war so plötzlich neben dem Jungen aufgetaucht, dass ich mich fragte, wo er hergekommen war. »Und nun wird er an unserer Seite ins Heilige Land ziehen. Du kannst mit uns kommen, wenn du möchtest. Alle sind willkommen.«
    »Was ist das für ein Wahnsinn? Du kannst mir doch mein Kind nicht stehlen!« Die Frau ließ Cornelius nicht los.
    Einige Männer, darunter auch der Dieb mit dem Brandmal, stellten sich neben den Jungen.
    »Er hat das Gelübde vor Gott und all diesen Zeugen abgelegt«, sagte Nicolaus. »Wenn er es bricht, wird seine Seele zur Hölle fahren.«
    Die Frau sah sich um, ihre Blicke flehten um Hilfe. Sie tat mir leid. Es war nicht die erste Auseinandersetzung dieser Art, die sich auf den Wiesen abspielte, doch jede ging mir nah.
    »Er weiß doch nicht, was er tut«, sagte sie.
    »Und ob ich das …«
    »Sei ruhig!« Sie wollte Cornelius anschreien, doch ihre Stimme wurde von Tränen erstickt, als wisse sie bereits, dass sie ihren Sohn nicht wieder mit nach Hause nehmen würde.
    »Du musst nicht um deinen Sohn trauern, Schwester.« Nicolaus wollte ihr die Hand auf die Schulter legen, aber sie wich ihm aus. »Erfreue dich an seinem Glück. Hab daran teil. Komm mit uns.«
    »Nein.« Sie zog Cornelius zu sich, er stemmte sich gegen sie. »Ich nehme ihn mit.«
    »Dann wird seine Seele in der Hölle brennen.«
    Die Frau zögerte. Im nächsten Moment war Cornelius frei. Ob sie ihn losgelassen oder er sich losgerissen hatte, hatte ich nicht erkennen können. Jedenfalls lief er von ihr weg. »Ich bin ein Kreuzfahrer!«, schrie er. »Ich gehe nach Jerulem.«
    An einigen Feuern wurde gelacht.
    »Jerusalem«, rief eine Mädchenstimme.
    »Cornelius!« Die Frau streckte die Arme aus, versuchte aber nicht, ihm zu folgen.
    Nicolaus ergriff ihre Hand und führte sie von den anderen weg. Sie wehrte sich nicht. Eine Weile redete er auf sie ein, dann nickte sie und ging zurück in Richtung Stadt. Ihr Gang war schleppend, ihr Rücken gebeugt wie der einer alten Frau.
    »Ist schwer, auf Gott zu vertrauen«, sagte Gottfried mit vollem Mund.
    Ich löste den Blick von ihr und sah zu Nicolaus. Auch er sah der Frau nach, doch dann wandte er sich abrupt ab und ging mit langen Schritten an den Feuern vorbei. Er beachtete niemanden, setzte sich an kein Feuer, nahm kein Stück Brot an, das ihm gereicht wurde. Erst als er das letzte Feuer hinter sich gelassen hatte, wurde mir klar, dass er aufbrach.
    Mein Mund wurde trocken. »Es geht los.«
    Hugo und Konrad sprangen auf, während ich Gottfried auf die Beine half.
    »Es geht los!«, hörte ich meinen jüngeren Sohn rufen, und überall an den Feuern standen Menschen auf. Die gespendeten Vorräte wurden auf Karren geworfen, Ochsen eingespannt.
    Ich tat den ersten Schritt.

Kapitel 6
    Wir erreichten Bonn am Abend des zweiten Tages. Nach Köln wirkte die Stadt kleiner, als ich erwartet hatte, und nicht wie der gefährliche Sündenpfuhl aus Gertruds Erzählungen. Im Sonnenuntergang sah ich Burg Drachenfels hart und schwarz auf der anderen Seite des Rheins emporragen.
    Ich stellte mir die Mägde vor, die den steilen Weg nach Winetre hinuntergingen, erschöpft und müde nach der harten Abend. Sie mussten längst wissen, was geschehen war. Ob sie für mich beteten, mir Glück wünschten? Klara bestimmt, bei den meisten anderen war ich mir nicht sicher.
    Nur Gertrud hatte sicherlich weder ein gutes Wort noch einen guten Gedanken für mich übrig. Schon bald würde ich zu einem Teil ihrer mahnenden Geschichten werden, die stolze Magd, die in die Fremde gezogen und dort elend gestorben war. Ich sehnte mich nach dem Tag, an dem ich ihr wieder gegenübertreten würde, als siegreiche Befreierin Jerusalems.
    »Hast du Heimweh?«, fragte Konrad. Er war unbemerkt neben mich getreten.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Und du?«
    »Nein.« Er sah zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »Es gab nie genug zu essen in der Schreinerei, aber hier bin ich jeden Tag satt. Weshalb sollte ich da Heimweh haben?«
    Er hatte recht. Wir hatten alle noch nie so gut gegessen wie in den letzten zwei Tagen. Die Nachricht von unserem Kreuzzug sprach sich herum. In den Dörfern, an denen wir auf dem Weg am Rhein entlang vorbeigekommen waren, hatte man uns Hühner und Schweine, Mehl und Bier geschenkt.

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