Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
seinen Protagonisten viel zu wichtig. Dass Heinlein für die SF eine bedeutende Rolle gespielt hat, dürfte, wie bereits gesagt, unbestritten sein. Wenn Patterson in der Einleitung den Tod Heinleins im Mai 1988 aber allen Ernstes auf eine Stufe mit der Ermordung John F. Kennedys und den Anschlägen des 11. Septembers stellt, vergreift er sich gleich um mehrere Größenordnungen. Das fehlende Maß zeigt sich auch im Umfang seines Buches: Fast 500 Seiten Text und noch einmal 100 Seiten Anmerkungen, und damit ist lediglich die erste Hälfte von Heinleins Leben bis 1948 abgedeckt. Die vier Jahrzehnte bis zu seinem Tod, der Zeitraum, in dem fast alle als Klassiker geltenden Bücher entstanden sind – aber auch der Film Destination Moon , an dem Heinlein maßgeblich beteiligt war –, sollen in einem zweiten Band behandelt werden.
Das zweite Manko betrifft Pattersons Fähigkeiten als Autor. Der Biograph ist ein ausgewiesener Heinlein-Kenner; er ist Herausgeber des Heinlein Journals , Mitarbeiter bei der Virginia Edition, einer Gesamtausgabe der Schriften Heinleins, und Mitbegründer der Heinlein Society, die den Nachlass des Schriftstellers verwaltet. Tatsächlich ist die vorliegende Biografie nicht bloß durch die Society respektive durch Heinleins 2003 verstorbene Witwe Virginia autorisiert, sondern ist vielmehr in deren Auftrag entstanden. Pattersons Zugriff ist somit ein wohlwollend-bewundernder, allzu Kritisches oder gar Abschätziges wird man bei ihm nicht finden. Das wäre an sich noch kein Unglück, denn davon gibt es wahrlich genug. Weitaus mehr ins Gewicht fällt, dass Patterson kein sonderlich mitreißender Erzähler ist und zudem eine veraltete Vorstellung davon zu haben scheint, was eine Biografie zu leisten hat. Über weite Strecken beschränkt sich »Learning Curve« darauf, getreulich auch den kleinsten Schritt seines Protagonisten zu rekapitulieren. So erfahren wir als Leser von jedem einzelnen Hafen, den die USS Lexington, auf der Heinlein Dienst leistete , ansteuerte. Mitunter ist es durchaus beeindruckend, mit welchen obskuren Details Patterson aufwarten kann, der Stolz auf die Detektiv-Arbeit scheint aber oft zulasten einer sinnvollen Gewichtung der Fakten zu gehen.
Seine Rolle sieht Patterson offensichtlich als die eines Chronisten. Weder ist er daran interessiert, tiefer gehende Bezüge zwischen Autor und Werk herzustellen (der Inhalt der Erzählungen wird oft nur knapp angerissen), noch versucht er in einer spekulativeren Herangehensweise Heinleins Innenleben zu ergründen. Was zählt, sind die Fakten, und damit handelt er sich bei Heinlein ein gewaltiges Problem ein. Dieser war nämlich peinlich darum bemüht, sein Bild in der Außenwelt zu kontrollieren. Mehrfach vernichtete er große Mengen an Briefen und persönlichen Notizen – Patterson beschreibt eine dieser Aktionen nach Heinleins Trennung von seiner zweiten Frau Leslyn –, und auf Nachfragen zu seiner Person, die ihm nicht passten, konnte er mit äußerster Heftigkeit reagieren. (So beschreibt Alexei Panshin, der mit »Heinlein in Dimension« die erste Monografie über Heinlein verfasst hat, auf http://www.enter.net/~torve/critics/StoryHiD/HiDA , wie er aus unklaren Gründen Heinleins Zorn auf sich zog, als er Ende 1964 mit der Bitte um Unterstützung bei seinem Projekt an diesen herantrat. Heinlein verweigerte nicht nur die Mitarbeit, was sein gutes Recht war, sondern untersagte unter Androhung von Klage zudem jegliche Nutzung von Text- oder Bildmaterial. Die Folge war, dass Panshins Buch nicht in der ursprünglich geplanten Form erscheinen sollte. Fast zehn Jahre später war Heinleins Groll noch immer nicht verklungen, und er verwehrte Panshin den Zutritt zur Heinlein-Sammlung an der University of California in Santa Cruz.) Ein großer Teil der heute verfügbaren Quellen zu Heinlein sind somit jene, die er selbst als genehm erachtete.
Eine regelmäßig wiederkehrende Figur im Heinlein’schen Œuvre ist die des kompetenten Mannes , der immer den Überblick über die Situation hat, der stets weiß, was zu tun ist, und der oft – allzu oft – als Sprachrohr des Autors fungiert. Heinlein sah sich selbst wohl als kompetenten Mann – oder vielmehr: Er wäre es gerne gewesen und bemühte sich nicht nur darum, diesem Ideal nachzukommen, sondern wollte auch einen entsprechenden Eindruck nach außen vermitteln. Doch nicht selten machten ihm die Umstände und vor allem sein Körper einen Strich durch die Rechnung. Schon als Jugendlicher
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