Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Scott weniger im Aufbau des Helden als darin, den Helden am Ende verschwinden zu lassen. Wenn man seine ersten Entwürfe mit den fertigen Filmen vergleicht, wird klar, dass er im Grunde seine Helden eigentlich immer sterben lassen will. So oder so. Das ist wohl, in einem Satz, die »negative Theologie« im Werk eines dann doch nicht so nihilistischen Filmemachers und Genre-Erneuerers. Der Mensch muss seinen Tod (sein Verschwinden) akzeptieren, um das Ganze (Staat, Gesellschaft, Geschichte oder gar Universum) zu sichern. Besonders sympathisch ist diese Weltvorstellung nicht.
Was die »bösen Enden« von Scotts Filmen anbelangt, so setzten sich manchmal die Produzenten oder Marketingspezialisten, manchmal auch der Regisseur durch. So wurde am Ende von Alien Ripley doch nicht vom Monster getötet, wie Scott es ursprünglich vorhatte (und mehr noch: Er wollte zeigen, wie das Alien das Raumschiff, offensichtlich mit teuflischer Intelligenz ausgestattet, auf die Erde zusteuert), und das Ende von Blade Runner , in dem wir erfahren, dass auch Deckard ein Replikant ist, gibt es erst im Director’s Cut.
Beinahe alle Filme von Ridley Scott sind zu lang für die gewöhnlichen Film-Auswertungen; schon Legend musste um nahezu zwanzig Minuten gekürzt werden, nachdem in den Previews die Testzuschauer Unruhe verrieten. American Gangster wurde um achtzehn Minuten geschnitten (eine Extended Version kam später heraus), um ein R-Rating zu erhalten. Robin Hood überforderte mit seinen 140 Minuten Länge in der Kinoversion auch die überzeugten Scottisten; Kingdom of Heaven , schon in seiner ursprünglichen Version von manchen Zuschauern und Kritikern als reichlich zäh angesehen, wurde für den Director’s Cut noch einmal um 46 Minuten erweitert. Auch Prometheus wird es wenigstens auf Blue-Ray-Disc in einer um zwanzig Minuten längeren Version zu sehen geben. Size does matter, offensichtlich, in Ridley Scotts Universum. Während er ein Meister darin ist, eine Szene in wenigen Takes zu drehen, scheint er keiner darin zu sein, sich von einmal gedrehtem Material zu trennen. Ein »zäher Mittelteil« ist beinahe schon wieder ein Markenzeichen von Scott, manchmal setzt er diesen, wie in Body of Lies , auch an den Anfang.
Man könnte also in Scotts Film-Universum eine Art negativer Religion ausmachen, die gerade da ihre Schwächen zeigt, wo der Regisseur, statt seinem visuellen Geschick zu folgen, sie zu erklären versucht. Prometheus wird ein prominentes Opfer dieses unglückseligen, anti-kinematographischen Impulses. Wenn Scott seine Figuren zu viel reden lässt, merkt man, dass sie eigentlich zu klein sind für ihre Rollen. Seine Helden agieren zwar immer aus sich selbst heraus und erfahren, gewollt oder nicht, eine fast absolute Autonomie, ohne die Hilfe der Götter, aber sie sind zugleich auch immer auf der Suche nach ihren Ursprüngen, Identitäten, ihren Missionen. Es geht um eine Art der materialistischen Sinnsuche, um den Versuch, die großen Mythen der Geschichte und der Genres zugleich zu bewahren und »modern« aufzulösen. Das hat in Prometheus zweifellos etwas Erich-von-Däniken-haftes, aber das ist nur eine rationalisierende Oberfläche. Das Scott-Universum, das ohne Götter auskommen muss, funktioniert vielmehr nach dem Prinzip der ewigen Wiederkehr.
Das Geheimnis der Welt liegt für Scott in der Größe und der Kraft, und so kann er ihr Inneres nicht wirklich wahrnehmen. Ein kannibalistischer Serienmörder oder ein Welteneroberer, ein Gangster oder ein CIA-Mann, das ist für ihn gleichsam immer dasselbe, ein Mann, der eine Mission verfolgt, ein System erfüllt, einem Muster folgt. Was es in Scotts Universum nicht gibt, ist ein Bewusstseinswandel. Und dort, wo er einmal eine »Läuterung« zu zeigen versucht, wie in seiner romantischen Komödie A Perfect Year , wird das Ergebnis, sagen wir einmal, nicht wirklich überzeugend, denn wiederum sieht er hier nicht das Zusammenkommen von Menschen, sondern nur das von »rivalisierenden« Codes – die man in diesem Falle getrost auch als »Klischees« übersetzen könnte, der britischen und der französischen. Ridley Scott kann keine Liebesgeschichten drehen, wirklich nicht.
Die Vorherrschaft des Design in seinen Filmen kann man auch übertragen auf das Leben der Protagonisten: Es ist in einer Art der Prädestination gefangen, in der es nur die Optionen Vollenden oder Scheitern gibt. Der Mensch ist, was er sich als »Lebensdesign« erkämpfen kann. Der Vorwurf, Scott sei bei
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