Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
all seiner visuellen Obsession und seinem manischen World Building kein guter Schauspieler-Regisseur, führt daher ins Leere. Seine Schauspieler sind oft großartig in den situativen Momentaufnahmen. Nur Menschen, richtige Menschen sind sie nicht.
Letztendlich ist der Scott-Held stets auf dem Schlachtfeld. Auch der Finanzkapitalismus, die Polizeiarbeit oder der Trickbetrug charakterisieren die Welt als Schlachtfeld. Darin gibt es kaum einen Unterschied zwischen den militärischen und den zivilen Sujets. Der Verlust der Übersicht auf dem Schlachtfeld, dem antiken wie dem modernen, führt indes zu keiner neuen Perspektive, wohl aber zu einer neuen Form der Teilhabe. Scott hat weder den Blick des Feldherrenhügels noch den des infanteristischen Opfers. Im Zwischendrin verliert auch der Zuschauer den klaren Standpunkt. Bei Black Hawk Down interessiert Scott kaum das Wesen der Friedensmission in Somalia, stattdessen schildert er minutiös das Scheitern einer Unternehmung. Auch wenn der Film mit Unterstützung des Militärs entstand, ist er doch weit entfernt von der »Warnography«, mit der G.I. Jane ganz bewusst spielt. »Nicht auf cool getrimmt« wollte Scott seinen Film sehen, doch so wenig er eine heroische Einheit von Soldat und Maschine feiert, so wenig interessiert er sich auch für die Ursachen des Zorns der Somalis; so erscheinen sie als Repräsentanten eines dummen und bösen Chaos, gegenüber dem die Rationalität versagen muss.
Und die Erzählung? Vielleicht versucht Ridley Scott die Mythen der Genres zu retten, indem er ihnen diesen realistischen, dann aber doch nicht humanistischen Anstrich verpasst. Die Schlacht ist ein Teil der ewigen Wiederkehr, daher nimmt es nicht wunder, dass in Robin Hood eine Invasion der Franzosen sich ausnimmt wie eine andere Invasion, die des Zweiten Weltkrieges in der Normandie, und dass in Gladiator so sehr wie in Kingdom of Heaven Schlachten durch Rationalität und Technik gegenüber dem jeweils »chaotischeren« Feind gewonnen werden, eine Feier der Modernität und der Modernisierung. Die Schlachten in Gladiator und Black Hawk Down funktionieren nach denselben Prinzipien, nach derselben »Ästhetik« auch. Die Welt, das Universum, wird durch eine Art Meta-Design zusammengehalten. Und dieses Design ist Macht und Gewalt.
Das Over-Design in den Filmen von Ridley Scott macht sie ebenso faszinierend wie gelegentlich unerträglich. Kein Lichtfall, kein Ausstattungsdetail, keine Schauspielergeste, die nicht Teil des visuellen Konzepts wäre. Ein Ridley-Scott-Film ist ein Produkt, das nach Perfektion strebt, aber dabei eben vor allem auch seine Produkthaftigkeit ausstellt. Der Zuschauer hat in einem solchen Film, außer verzückt, beeindruckt oder gar überwältigt zu sein, gar nichts zu suchen. Das Produkt erfasst ihn (oder versagt dabei), und auch gerade in seinen intimeren Filmen zeigt Scott, dass er alles Mögliche kann, nur weder Leichtigkeit noch Offenheit.
Auch Scott hat ein Imperium geschaffen, und darin geht es, wie in allen Imperien, schon um die Erhaltung, das Erbe, die Nachfolge. Sein Film-Imperium RSA wird mittlerweile nicht nur durch Ridley und (bis zu seinem Tod) seinem Bruder Tony Scott, sondern auch durch Scotts Kinder Jordan, Luke und Jake repräsentiert, alle zugleich im künstlerischen wie im geschäftlichen Bereich tätig. Und Ridley Scotts Rückkehr zu seinen größten Erfolgen – auf Prometheus soll, nach einem erneut etwas intimistischeren Zwischenspiel, ein Sequel zu Blade Runner folgen – markiert vielleicht so etwas wie die Rückeroberung beinahe verlorener Ländereien seines Traumreichs. Das Universum des Ridley Scott wird immer perfekter. Und immer unbewohnbarer.
Ridley Scotts Helden sind, gleichgültig ob in der Zukunft oder in der Vergangenheit angesiedelt, in bemerkenswerten Widersprüchen zwischen Kolonialismus, Aufklärung und individuellem Abenteuer befangen. Sie sind »modern« (und auch Ridley Scotts Columbus in 1492 , von Gérard Depardieu als vitalistischer Individualist verkörpert, ist bei Scott viel aufklärerischer und empirischer, als er nach allem, was wir von ihm wissen können, tatsächlich war; seine Idee ist weniger Eroberung als ein ganz eigenes World Building als Gouverneur der Insel Hispaniola) und zugleich archaisch. Sie fordern, so scheint es, den Aufbruch ins Ungewisse, jenseits des Ozeans, im Weltraum, auf der Landstraße und sogar im Krieg der Frauen, in der anderen Kultur (wie in Black Rain ), und sie sehen darin das
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