Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Werbefilmen lernt man, die eigenen Noten aus dem Bekannten zu gewinnen. Mindestens so wichtig wie der Aspekt der Verblüffung ist der des Wiedererkennens. Man will träumen, der Dinge habhaft werden zu können. Ridley Scott ist keineswegs abgeneigt gegenüber den Neuerungen der Filmtechnik, und doch liebt er es, Sets »richtig« bauen zu lassen, statt sie im Computer zu generieren. Prometheus sollte unter anderem ein Film werden, der beweist, dass 3-D auch für eine analoge Aufnahmetechnik, Bauten und reale Schauspieler Sinn machen kann.
Das Geschichtsbild von Ridley Scotts Filmen ist ein merkwürdiges Kreisen. Kreuzzug und Weltraumfahrt, Militäreinsatz und Gangsterkrieg, alles folgt dem gleichen Schema. Man sieht Menschen zu, die ein Stück Welt (oder Kosmos) erobern wollen und vor allem die eigenen Grenzen erfahren. Sind sie eigentlich eher »links« oder eher »rechts«? Manche seiner Filme provozieren diese Frage ganz direkt an ihrer narrativen Oberfläche, andere eher in den Tiefen der explorierten Mythen. Seine Militärfilme wie G.I. Jane und Black Hawk Down sind als eher rechts empfunden worden, seine SF-Filme eher als links. Aber es scheint um etwas ganz anderes zu gehen: Auch die Militärfilme werden durch Scotts Realismus- und Design-Filter getrieben. Seinem Robin Hood wurde attestiert, eindeutig nationalistische und anti-europäische Züge aufzuweisen. Kingdom of Heaven mochte wiederum als Appell an die Impulse von Ausgleich und Gerechtigkeit verstanden werden. Ein pazifistischer Film?
Der politischen Frage in seinen Filmen leistet Scott nach Kräften Vorschub, indem er stets diese »diskursive« Ebene selbst einfügt. Er provoziert förmlich die Frage nach der Moral und der Philosophie in seinen Filmen, ohne sie wirklich beantwortbar zu machen. Man könnte wohl sagen: Wie Paul Verhoeven oder Peter Greenaway (um zwei sehr unterschiedliche Filmemacher zu erwähnen) etwa gehört er am ehesten zu einer Form der »nihilistischen« Filmemacher. Sie scheinen nicht an den Menschen zu glauben, sondern setzen ihn gern extremen Versuchssituationen aus, in denen Mensch und Rolle auseinanderfallen. G.I. Jane, Thelma & Louise, der Gladiator sowie Robin Hood – alles Menschen, die für ihre Rolle eigentlich nicht »geschaffen« sind. Dieser Robin Hood ist nichts weniger als eine treibende Kraft hinter der Entstehung des modernen Rechtsstaates, so wie die Protagonisten von Kingdom of Heaven zwischen Erobern und Friedenstiften vermitteln (mit direkten Bezügen zur Situation im heutigen Palästina). Es ist, als gehöre es zur Erwachsenheit von Ridley Scotts Genrefilmen, dass man in ihnen ein Statement vermuten darf. Aber weiß der Held, was er da tut? So viel und so wenig wie Christopher Columbus, der American Gangster, die Matchstick Men oder der Gladiator. Das System, die Bewegung und der Mensch gehen nicht vollständig ineinander auf. Das ist das Thema von Body of Lies : Das System verbindet Männer, die zugleich Rivalen und »Brüder« sind, es bestimmt sie mehr als jede direkte Beziehung, und es funktioniert ohne Vertrauen. »Die Suche nach unserem Ursprung könnte unser Ende sein«, so lautet die Motivzeile zu Prometheus . Sie könnte aber auch in anderen Filmen von Scott stehen: Die Erkenntnis des Systems, in dem er lebt, denkt, arbeitet, fühlt und kämpft, ist für den Menschen als Individuum so lebensgefährlich wie für das System selber. Ist es möglich »auszusteigen«? Wie Kingdom of Heaven oder Robin Hood , Gladiator oder Blade Runner zeigen, ändern sich Systeme durch das revoltierende, kritische oder aufklärende Rumoren des Menschen in ihm. Aber sie tun es nicht so, wie es dieses Subjekt sich erhoffen, erträumen oder auch nur »denken« kann.
Man könnte also wohl sagen, Ridley Scott habe die Genres, in denen er arbeitet, nicht nur visuell erneuert und ihnen einen zeitgemäßen Look verpasst, und er habe nicht nur die in ihnen enthaltenen Mythen einer »materialistischen« Revision unterzogen, sondern er habe auch das dem allen zugrunde liegende narrative Modell erneuert. Nämlich indem er es auf den Kopf stellt. Spannend ist nicht so sehr, was mit dem Helden geschieht, spannend ist, was mit seiner Welt geschieht. Mit den Systemen, Codes, Architekturen, Begriffen, usw. In diesem Prozess ist Scotts Blick scheinbar neutral, für den Menschen jedenfalls nimmt er nicht Partei. Es ist der Blick des Weltenbauers und des Universalgottes im eigenen Traumreich. So besteht die narrative Kunst des Ridley
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