Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
den beiden »Söhnen« des Caesar, dem leiblichen Sohn Comodus und dem von Caesar gewählten Nachfolger. Das hat vermutlich nur eher am Rande mit einer brüderlichen Rivalität der Scott-Brothers zu tun als vielmehr mit einer allgemeinen pessimistischen Weltsicht des Regisseurs.
In den filmischen Universen des Ridley Scott gibt es kein Vertrauen, und die familiäre Zuflucht ist allenfalls ein Traum. Die Helden sind eingesperrt und alleingelassen wie in Someone to Watch Over Me , in der Fremde wie in Black Rain , gejagt wie Thelma & Louise , den eigenen Obsessionen ausgeliefert wie in Matchstick Men , unter der Last der historischen Aufgabe wie alle Helden seiner Period Pieces, und je näher sich Männer darin kommen, desto todsicherer müssen sie miteinander um die Vorherrschaft kämpfen. Wie in Black Rain kann die ursprüngliche Rivalität (hier zwischen dem amerikanischen und dem japanischen Cop) in eine Freundschaft münden. In der Komödie A Perfect Year ist der Held, ein Banker (Russell Crowe), schon seit seiner Kindheit vom Geist der Rivalität getrieben, vergeblich hat ihn damals sein Onkel (Albert Finney) vom Wert des Verlierenkönnens überzeugen wollen. Die komischste Szene des Films ist ein erbittertes Tennis-Match auf einem verfallenen Court, wo Brite und Franzose bis zur Verausgabung miteinander »kämpfen«, obwohl es sich doch nur um ein kleines Spielchen handelt.
Ein Scott-Held kann daher nie gelassen sein. Nie kommt jemand vor, der nichts mehr beweisen muss, keiner kann in sich ruhen. Ob das mit dem Rückzug auf ein französisches Weingut und der Liebe des Lebens in A Perfect Year gelingen kann, bleibt nicht unbezweifelt. Die Erfüllung des American Dream in American Gangster führt in den Albtraum, die Reise der Nostromo wie die der Santa Maria ans Ende der Welten endet im Wahn, die Emanzipation der Soldatin Jane führt zu ihrer Verwandlung in eine Todesmaschine, Thelma & Louise können nur in den Tod noch flüchten, Scotts Robin Hood wird als Gesetzloser erst durch die Missgunst (die Rivalität eben) des Königs zum Freiheitshelden. Vom Scott’schen Zynismus zeugt auch die Schlusseinstellung von Hannibal , wo Hannibal Lecter einem Kind im Flugzeug von seinem mitgebrachten Snack zu kosten gibt (es handelt sich um Teile eines Menschenhirns) mit der Bemerkung, man müsse im Leben immer wieder etwas Neues probieren. Aber in einer anderen Beziehung knüpft Scott selbst mit diesem Thriller an seine historischen Panoramen an: Für ihn und für seinen Darsteller Anthony Hopkins ist Hannibal eine Figur aus der Renaissance, und er hat nicht zufällig in Florenz und Venedig seine neue »Heimat« gefunden. Die »Renaissance« in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist für Ridley Scott stets Aufbruch und Abschied zugleich; das Wagnis des Neuen verlangt einen hohen Preis. In White Squall wird der Kapitän des Unglücksschiffes zwar freigesprochen und darf seine Lizenz behalten, dennoch wird er nie wieder zur See fahren.
Die Heldenreise in Scotts Universum ist ein Projekt der Selbstaufhebung. Dem entspricht eine zugleich wuchtige, manchmal auch seltsam abrupte und derbe Erzählweise, so als müsste der Regisseur die Brüche seiner Geschichten und seiner Helden noch unterstreichen. Zwischen den Protagonisten und dem Fremden, ob das nun Aliens, Kriegsgegner oder Angehörige einer anderen Kultur wie die japanische in Black Rain ist, gibt es keine geschmeidige Verbindung. Das bringt dem Filmemacher gelegentlich den Vorwurf ein, sich leichtfertig an Feindbildern zu bedienen oder Vorurteile zu bedienen. Was sich in seinen Filmen auch auf dieser Ebene vermittelt, ist ein Element des Wagnisses, der Gefahr.
Dem Prinzip der Schwere folgt auch die Farbpalette Scotts: irdene, gedeckte, oft düstere, nächtliche Farben, eine Dominanz von Braun, Grau und Blau. Selbst in Robin Hood , diesem Film, der so sehr im Grün spielen müsste wie ein Seefahrerfilm im Blau, ist das Gras verdorrt, werden die Wiesen fahl, und in White Squall ist Weiß ziemlich eindeutig eine Todesfarbe. Es ist die Landschafts- und Interieurmalerei Englands, ein Turner’sches Verschwinden, viel Schlamm oder Straßendreck (vom Abwaschen des Schmutzes ist in fast allen von Scotts Historienfilmen irgendwann einmal die Rede), das Licht ist fast immer fahl. Bereitwillig räumt Scott den Einfluss von Edward Hopper auf Blade Runner ein, so wie den des Comic-Künstlers Giraud alias Moebius, der die Kunst der leeren Flächen so meisterhaft beherrschte.
Beim
Weitere Kostenlose Bücher