Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
Scheitern, die Gewalt, die unabweisbare Korruption.
Alle Helden von Ridley Scott, darunter machen sie es nicht, erscheinen als Künder und Handelnde an einer Zeitenwende. Und jedes Mal geht es darum, die Welt zu verändern und zugleich sich selbst zu erkennen. Auch der Blade Runner ist zugleich einer, der nach der eigenen Identität sucht, der – als »Detektiv« ist das ohnehin sein Metier – einen Auftrag von Aufklärung vollzieht und der direkt oder indirekt einen Zeitenwechsel mit initiiert. Nicht anders ist die Mission der Raumschiff-Crews in den Alien -Filmen zu verstehen, die sich eigentlich nur durch die Technik von der Fahrt des Columbus oder von den Zügen der Kreuzritter oder von dem Rachefeldzug des Gladiators, der das römische Reich verändern wird, unterscheidet. Wie alle Helden von Ridley Scott sind auch sie insofern tragisch, als sie mit dem Neuen durchaus nicht nur Gutes bringen, beinahe wider Willen beenden sie auch eine »gute alte Zeit«, und sie scheinen, in einem gar nicht so verborgenen Teil ihres Wesens, um diesen Widerspruch zu wissen. Auch daher vielleicht diese Vorliebe von Scott für vergleichsweise »massige« Helden, denen wenig Eleganz, dafür ein sehr erdnahes Wesen zu eigen ist. Gérard Depardieu, Harrison Ford, und am Ende vor allem Russel Crowe; selbst die Pferde, selbst die Raumschiffe sind bei Ridley Scott »schwer«. Und Ridley Scotts Filme sind laut. 1979 schrieb Werner Burkhardt in der Süddeutschen Zeitung von einem offensichtlich auch ansonsten leicht befremdlichen Besuch einer Vorstellung von Alien in New York als »dem lautesten Film, den ich je gesehen habe. Alles knackt, summt, gurgelt, pfeift« (Werner Burkhardt: »Horror-Trip im intergalaktischen Lkw«, in: Süddeutsche Zeitung vom 12. Juni 1979). Alien ist zweifellos einer jener Dolby-Filme, die die neuen Möglichkeiten des Tons ausloten. Es geht aber nicht allein um einen Angriff auf die Sinne; Ridley Scott arbeitet mit dem Ton vor allem als Raumgestaltung.
II. Die Zukunft, und wie Ridley Scott sie sah: die drei »reinen« SF-Filme
ALIEN (1979)
Die Chance, die Regie bei dem Alien -Projekt zu führen, erhielt Ridley Scott aufgrund der Begeisterung, die The Duelists beim Festival in Cannes bei dem Produzenten Gordon Carrol ausgelöst hatte. Die Hauptfigur war zunächst männlich codiert worden (Paul Newman soll zu Beginn der Planung im Gespräch gewesen sein). Aber es war wohl nicht zuletzt Ridley Scott, der sich mit der Idee einer weiblichen Besetzung der Ripley (mag uns die phonetische Ähnlichkeit etwas sagen?) durchsetzte. (Als Scott in den neunziger Jahren das Projekt einer Neu-Verfilmung von I am Legend verfolgte, wunderte sich schon niemand mehr, dass für ihn nur die weibliche Besetzung des »letzten Menschen auf Erden« in Frage kam.)
Die Besatzung des Raumschiffs Nostromo – fünf Männer, zwei Frauen – ist nach einem Erkundungsflug auf dem Rückflug zur Erde. (Nostromo, das war der »Held« in Joseph Conrads Roman aus dem Jahr 1904, ein Seemann, gestrandet in einem unregierbaren Land, der zum fleißigen und gefürchteten Helfer der Herrscher wurde, ein Mann für alles, »nostro uomo«, aber eben auch »un muostro«, nützlich für die Mächtigen, aber eben auch: ein Monstrum.)
Die Besatzung liegt im künstlichen Schlaf, das Schiff wird vom Bordcomputer namens MUTHR gelenkt, es sieht einigermaßen ramponiert aus. Dann werden sie von Notsignalen in ihrer Reise unterbrochen; die Besatzung wird geweckt, und man landet auf einem unbekannten Planeten, der sich von einer ausgesprochen unwirtlichen Seite zeigt: eine Wüstenei (vielleicht eine kleine Reminiszenz an das abgebrochene Projekt von Dune ), über die ein unangenehmer Wind fegt. Dort findet man ein gewaltiges Raumschiff-Wrack, und ebenso gewaltige Skelette von ihren Besitzern. Sie scheinen von einem furchtbaren Tod zu zeugen, als wären die Wesen gleichsam von innen heraus aufgeplatzt. Von hier gingen wohl die Signale aus, die ihren Flug unterbrachen. Drei der Besatzungsmitglieder erkunden das Schiff; Kane entdeckt den Zugang zu einer gewaltigen Höhle mit riesigen Eiern; einer wird von einem ekelhaften kleinen Wesen angegriffen, das aber bald darauf stirbt, als der medizinische Offizier Ash es mit einem Skalpell behandelt und es eine ätzende Flüssigkeit verspritzt. Kane kommt wieder zu sich, und alles scheint schon ausgestanden; er kann sich an nichts mehr erinnern.
Doch dann wird das parasitäre Wesen »geboren« und verbirgt sich in der
Weitere Kostenlose Bücher