Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
förmlich ihr Geschlecht, nachdem sie als Einzige vermocht hat, das wissenschaftliche Weltbild der Leute von der Nostromo mit dem emotionalen und instinktiven zu verbinden. Alles in diesem Film scheint auf Befruchtung, Vergewaltigung, Gebären hinauszulaufen; es war am Ende eine Reise in den sexuellen Albtraum der Zeit der ersten Krise. Und diese Krise spiegelt sich durchaus in so etwas wie einem »Klassenkampf« an Bord, jedenfalls in den Rang- und Machtkämpfen der Männer, blue collar und white collar, in den unterschiedlichen Interessen, in einer zynischen Macht der Konzerne, die es auch in Blade Runner gibt.
Und wenn das Alien die Chiffre für »Natur« war, dann konnte sich Ripley am Ende möglicherweise von ihr lösen, gerade weil sie nicht mehr versuchte, sie zu vernichten. Die zwanzig Minuten am Ende des Films, in denen Ripley allein gegen das Monster kämpft, sind ein Meisterwerk der Mise en scène für sich. Man begreift hier etwas von dem Fundamentalen der Auseinandersetzung und ist doch auch zugleich ganz nahe an den Empfindungen der Heldin. Das ist die Kunst dieses Filmes, dass man zugleich gezwungen ist nachzudenken und in einer enormen sinnlich-emotionalen Anspannung steckt. Dass man im Kosmos ist und im Körper. Genau wie im richtigen Leben.
BLADE RUNNER (1982)
In Blade Runner setzt Ridley Scott seine Auseinandersetzung mit den Grundthemen des Genres fort. In Alien begegneten die Menschen ihrem Vorläufer, der »reinen«, organisch-wandelbaren und bewusstlosen Natur. In Blade Runner begegnen sie ihrem Nachfahren, den künstlichen Menschen. Und in beiden Fällen müssen die Menschen immer auch sich selbst erkennen, um die Herausforderung zu bestehen. Dass die Post-Menschen in dieser Parabel immer menschlicher werden, und die Menschen immer unmenschlicher, ist gewiss, wie Alien , ein Reflex der Entstehungszeit. Wenn zu Zeiten von Ridley Scotts erstem SF-Film die erste große Krise die Nachkriegsökonomie der westlichen Industriestaaten erschüttert hatte, ist Blade Runner wohl auch ein Widerschein der beginnenden neoliberalen Verschärfungen des Überlebenskampf und der »Schere zwischen Arm und Reich«.
Alien hatte allein im amerikanischen Kino innerhalb von 26 Tagen seine damals rekordverdächtigen Produktionskosten von über 30 Millionen Dollar wieder eingespielt (dennoch wurde das Einspielergebnis von den Sequels deutlich übertroffen). Allein sechs Millionen waren für die Werbung ausgegeben worden. Von Blade Runner versprach man sich, gewiss nicht zu unrecht, einen ähnlichen Effekt: Nicht nur das Genre, das Kino selbst sollte, nachdem Star Wars es so gründlich verändert hatte, dem erwachsenen und kritischen Publikum geöffnet werden, das freilich auch an den neuen technischen Errungenschaften teilhaben konnte. Und ganz nebenbei half auch die Besetzung mit Harrison Ford eine Brücke zu bilden zwischen dem »Weltraummärchen« und der widerspenstigen Philip-K.-Dick-Fabel.
Blade Runner spielt im Jahr 2019. Die Welt sieht genau so aus, wie sie in einer Zuspitzung des neoliberalen Kapitalismus aussehen wird, nämlich als radikale Trennung der Welten der Gewinner und der Verlierer, derer, die oben in den Türmen über der Stadt leben, und derer, die in den wimmelnden Straßen ums Überleben kämpfen. Die Luft ist verschmutzt, und unentwegt fällt ein saurer Nieselregen. Wer es sich leisten kann, und dazu rufen überall die Reklamewände auf, verlässt diese Welt, um auf anderen Planeten zu leben.
So setzt die Handlung ein, die sehr frei nach dem Roman »Träumen Roboter von elektrischen Schafen?« von Philip K. Dick aus dem Jahr 1968 entstand. Zuvor hatte der Autor zwei Drehbuch-Entwürfe kategorisch abgelehnt, eines war eine Art Comedy-Satire im Weltall, das andere, so Dick, so etwas wie »Philipp Marlowe meets The Stepford Wives «; das Drehbuch von David Peoples aber überzeugte den Autor, auch wenn er sich gewisse Freiheiten mit dem Stoff erlaubte, er sah endlich »eines meiner Bücher von einem wirklichen Meister adaptiert« (leider starb der Autor vor der Fertigstellung von Blade Runner ).
Die Pionierarbeit auf den kolonialisierten Planeten leisten künstliche Menschen, die Replikanten, Androiden mit außerordentlichen körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten, denen man eine künstliche Identität verpasst. Allerdings ist bei der Serie von Nexus 6 (Nexus, lateinisch für »das Gefüge«, das Netz, die Verbindung) offenbar ein Konstruktionsfehler aufgetreten. Unter der Führung von
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