Das Science Fiction Jahr 2013 (German Edition)
»Roy« (Rutger Hauer) hat eine Gruppe von vier der Replikanten ein Raumschiff gekapert, um verbotenerweise auf die Erde zu gelangen. Hier, im Los Angeles der Zukunft, wollen sie ihre knapp bemessene Lebensspanne verlängern. Aber eben dies ist, aus nachvollziehbaren Gründen, von ihren technischen und moralischen »Herren« nicht gestattet. Das Herr/Knecht-Verhältnis soll nicht in Frage gestellt werden, daher werden, wie einst auf entlaufene Sklaven, spezielle Jäger angesetzt, die »Blade Runner«, zu denen auch der Ex-Cop Rick Deckard (Harrison Ford) gehört.
Das Ziel der rebellischen Androiden ist das Quartier des Tyrell-Konzerns und ihres »Schöpfers«, der so weit über dieser Schmutzwelt thront wie die Herren von Metropolis . Zwei der Replikanten werden von Deckard »erledigt«, was ihm zunehmend schwerer fällt. Und dann kommt es auf dem Dach des Tyrell Building, wo Roy seinem »Vater« das Genick gebrochen hat, zum letzten Kampf zwischen Deckard und Roy. Der Android könnte schließlich auch ihn töten. Aber er rettet ihn, und Deckard verschwindet mit der Replikantin Rachael (Sean Young), in die er sich verliebt hat. Rachael, in der Bibel ist sie übrigens die Mutter des Stammvaters Joseph und sie wird als eine weibliche Korrektur einer männlichen Geschichte verehrt, lädt uns ein, die Geschichte von den Geschöpfen der ersten und der zweiten Genesis mit einem anderen Blick, dem des Mitleids zu sehen (der den männlichen Protagonisten der Geschichte nicht vergönnt ist).
Insofern folgt der Film dem »Was wäre wenn«-Schema des Genres. Vieles freilich nimmt das Design auch direkt aus seiner Gegenwart, etwa die Dress-Codes von Punk und New Wave, die angesagten Automobilmodelle als Vorbilder für die »Spinner Cars« der Polizei, und die Architekturen haben einen bizarren Retro-Look, als wären sie mit den fliegenden Werbe-Bildschirmen verschönte Varianten von Filmen aus den Dreißiger- und Vierzigerjahren. Wie es für Ridley Scott typisch ist, war die Stadt Los Angeles, der Schauplatz von Blade Runner , eine recht materielle Konstruktion aus Originalschauplätzen, Modellen und Bauten, die speziell angefertigt wurden; Eingeweihten wird zumindest das von Frank Lloyd Wright gebaute Haus auffallen, das zu seiner Zeit (1929) sehr weit in die Zukunft wies. Man könnte wohl sagen: Blade Runner zeigt eine verfehlte Zukunft, eine, aus der die Träume der Vergangenheit zu Albträumen geworden sind.
Wie die Mission in Alien ist auch die Handlung von Blade Runner fundamental politisch-ökonomisch grundiert. Die künstlichen Menschen, die »Replikanten«, werden eingesetzt, um auf anderen Planeten Rohstoffe auszubeuten. Der neue Mensch ist nichts anderes als ein Ausdruck von Profitinteressen und Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Aber da gibt es einen eingebauten Widerspruch: Replikanten sind besonders kräftig und intelligent, auf diese Weise können sie sich perfekt verbergen. Aber so kann es gar nicht ausbleiben, dass sie irgendwann beginnen, über sich selbst nachzudenken. Sie wollen, wie ihre organischen Vorfahren, wissen, wer sie sind. Und wie die Menschen an ihre Götter, so richten die Replikanten diese Frage an ihren Schöpfer, an ihren »Vater«. Und der erweist sich als eine so große Enttäuschung, dass das Sterben der einzige Ausweg scheint.
Das Besondere an diesem Film ist, von seinem optischen Konzept einmal abgesehen, seine sonderbare Mischung. Seine Handlung folgt weniger dem klassischen Muster der Science Fiction als dem einer Kriminalhandlung mit Anlehnung an die Romane der Hard-Boiled-Schule von Hammett, Chandler und Cain, und ganz in diesem Sinne, als skeptischer Moralist und verzweifelter Zyniker, ist auch der Held gezeichnet, der in eine erst einmal undurchdringlich scheinende Intrige hineingezogen wird und am Ende weder wirklich Sieger bleiben noch seinen Auftrag der Aufklärung vollenden kann. Ridley Scott meinte damals im Presseheft: »Mein Film ist ganz einfach ein klassischer Thriller – allerdings einer, der in der näheren Zukunft spielt, so vierzig bis fünfzig Jahre später. Um die Geschichte glaubwürdig erscheinen zu lassen, wollten wir deshalb auch die Welt um das Jahr 2019 so vertraut wie möglich zeigen.« Dieses Genre-Crossover bietet dem phantastischen Film vollkommen neue Möglichkeiten. Intelligente SF-Filme gab es schon früher, auch kritische, auch skeptische und melancholische; aber mit Blade Runner beginnt sich das Genre auch für den einzelnen Menschen, für das
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