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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Runde durch das Dorf gefahren, hatte sich einen Waldweg ohne frische Reifenspuren ausgesucht und war durch das Gesträuch herübergelaufen, um die Auserkorene in Ruhe zu beobachten.
    Sie schien perfekt geeignet zu sein. Niemand war gekommen, um nach ihr zu sehen, keine Freundin, kein Verwandter und auch kein Zuhälter, der abkassieren wollte.
    »Sie ist die Richtige, du weißt es.«
    Diesmal war er sich sicher. Die Worte ertönten in seinem Kopf. Wie erblindete Fledermäuse flatterten sie im Innern gegen die knöcherne Kalotte.

5
    »Und Sie haben das Originalschreiben zu dieser stillgelegten Metallwarenfabrik mitgenommen?« Tom Fränkel schüttelte seit einer Minute den Kopf, als könne er die Dummheit des Praktikanten nicht fassen.
    »Wir wussten doch nicht …« Hubert, der neben dem Redaktionsleiter stand, hob die Schultern und verzog den Mund.
    »Dass Herr Seiler nach den paar Wochen keine Ahnung davon hat, dass man für die Arbeit immer Kopien von bedeutsamen Dokumenten anfertigt, ist mit viel Mühe noch zu verstehen. Aber du …«, Tom Fränkel zeigte anklagend auf seinen Kollegen, »du hättest es wirklich besser wissen müssen, so lange wie du schon bei der Tagespresse arbeitest!« Hubert schob die Unterlippe vor, und Patrick betrachtete das zerknitterte Blatt auf dem Schreibtisch. Er fühlte sich unwohl. Die Finger seiner Linken schmerzten noch immer von den Metallgriffen des Thermobehälters. Das Handy hatte vor dem Schuppen auf den Betonplatten gelegen, und er erinnerte sich noch an seine Verblüffung darüber, dass er nicht gehört hatte, wie es ihm aus der Tasche gefallen war. Nicht nur, dass das schicke polierte Aluminiumgehäuse zerkratzt war, auch der Akku hatte seinen Geist aufgegeben. Und so war ihm nichts anderes übrig geblieben, als das Rad den ganzen Weg von der Industriebrache bis in die Innenstadt zu schieben, zwei der Gefäße im Korb hinter dem Sitz, das dritte in der Linken, mit dem rechten Arm das Rad balancierend. Als er endlich die Redaktion erreicht hatte, war es weit nach Mittag gewesen, und Hubert hatte inzwischen viermal versucht, ihn anzurufen.
    Patrick hatte gerade angefangen, dem Kollegen von seinen »Abenteuern« zu berichten, als der Redaktionsleiter aus seinem Büro gestürmt war und Aufklärung verlangt hatte.
    Er schielte zu Tom Fränkel. Der schob das lädierte Blatt Papier zur Seite und deutete auf die drei Thermobehälter, die nebeneinander aufgereiht waren. »Aber lassen wir das! Mich interessiert viel mehr, um was es sich bei dem Inhalt handelt. Der Verfasser der Nachricht hat sich in seinem Schreiben ja sehr bedeckt gehalten.« Bevor Fränkel mit seiner Tirade über die schlampige Arbeit begonnen hatte, hatte Patrick eins der Gefäße geöffnet und den beiden Männern den Inhalt gezeigt. Der Redaktionsleiter hatte angewidert die Oberlippe gekräuselt, bevor der Deckel wieder zugeklappt war.
    Jetzt tippte Tom Fränkel vorsichtig auf den linken Behälter. »Da ist doch überall das Gleiche drin?«
    »Für uns sieht es so aus.« Patrick schaute zu Hubert, der zustimmend nickte.
    »Machen Sie die mal alle drei auf, damit wir vergleichen können.« Tom Fränkel trat einen Schritt zurück, als fürchte er, der Inhalt der Gefäße käme herausgesprungen.
    Hubert griff nach der metallenen Lasche des linken Topfes, Patrick tat es ihm beim rechten nach. Gleichzeitig klappten die Deckel zur Seite und gaben den Blick auf den noch immer gefrorenen Inhalt frei.
    Hubert bemerkte es als Erster. »Was ist denn das?« Sein Finger zeigte auf ein zusammengerolltes Stück Papier, das auf dem rechten Fleischstück lag. »War das vorher auch schon drin?« Sein Blick wanderte zu Patrick.
    »Ich … glaube nicht.« Patrick schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern. Der Behälter, der jetzt rechts auf dem Schreibtisch stand, trug als einziger keine Nummer. Den hatte er zuerst gefunden. Im Keller des Turms. Draußen, vor dem Gebäude hatte er mit einem Zweig den Deckel hochgeklappt und war dann, durch ein plötzliches Geräusch erschrocken, fast mit der Nase auf das Ding gekippt. »Nein.«
    »Was nein?« Die Augen des Redaktionsleiters funkelten. Er schien noch immer wütend zu sein.
    »Da war kein Zettel drin. Ich bin mir sicher.« Während Patrick noch erklärte, woher er das wusste, hatte Hubert schon einen Bleistift in die Papierrolle geschoben, sie herausgehoben und versuchte nun, mit einem weiteren Stift den Zettel auszurollen. Tom Fränkel trat dichter an den Schreibtisch heran und

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