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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Einwurf, dass es hier um mehrere Mordfälle ging und weitere Verbrechen drohten, hatte den dicken Mann nicht dazu bewegen können, zusätzliche Informationen herauszurücken.
    Die Mitglieder kämen mehr oder weniger regelmäßig zu den Meetings, tauschten sich aus und halfen sich gegenseitig bei ihrer Suchtbewältigung. Die Gemeinsamkeit der Erfahrungen, die vorbehaltlose Akzeptanz und die ständige Hilfsbereitschaft zu jeder Tages- und Nachtzeit, so hatte der Mann doziert, führten dazu, dass die Mitglieder sich wieder sicherer im Leben bewegten. Das endgültige Ziel sei es, die Sucht im Griff zu haben und wieder als vollwertiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft anerkannt zu werden. Vielleicht hatte er tatsächlich keine Ahnung von den Aktivitäten seiner Schäfchen außerhalb der Gruppentreffen.
    Schließlich hatte Rolf sich dazu bereitgefunden, ein gutes Wort für Lara und Jo einzulegen, und erklärt, dass er die Mitglieder nachher bitten werde, sich nach dem Meeting mit den Journalisten zu unterhalten. Dies sei das Einzige, was er für sie tun könne. Womöglich kannte der eine oder andere doch Details, die ihnen weiterhelfen konnten.
    Lara legte den Kopf in den Nacken und sah nach oben. Der Abendhimmel wirkte wie eine schwarze Decke, an die jemand ein paar winzige weiße Punkte angenäht hatte, die ab und zu flackerten. Über den Dächern schwebte der abnehmende Mond wie eine silberne Sichel. Sie trampelte auf der Stelle. »Dieser Rolf hätte uns wenigstens im Vorraum warten lassen können. Wo wäre das Problem gewesen?«
    »Wollen wir uns wieder ins Auto setzen?« Jo legte einen Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich.
    »Nein, lieber nicht. Ich glaube, die sind gleich fertig. Und ich möchte keinen verpassen.« Lara blies warmen Atem in ihre Hände und schaute dabei auf die Eingangstür.
    Sie hatten sich mit dem Leiter geeinigt, draußen zu warten, bis das Meeting vorbei war. Er würde ihnen dann sagen, ob die Teilnehmer bereit waren, sie im Versammlungsraum zu treffen. Lara und Jo hatten sich ins Auto gesetzt und diskutiert, ob sich die Sache überhaupt lohnte. Jo war dafür gewesen, nach Hause zu fahren und weiter im Internet zu recherchieren, aber schließlich hatte sie ihn überzeugt, es wenigstens zu versuchen, wo sie doch schon einmal hier waren.
    »Da!« Lara spürte, wie Jo sie kurz mit der Hüfte anstieß und dann ihre Schulter losließ. Die Tür zur Begegnungsstätte öffnete sich, und in dem gelben Lichtviereck erschien das Pärchen mit dem kleinen Kläffer, das vorhin auch als Erstes gekommen war. Der winzige Hund bellte Jo an und schnappte nach seinem Hosenbein, der Mann murmelte eine Entschuldigung und zog den Hund beiseite. Dann verschwanden die beiden schnellen Schrittes in Richtung Straßenbahnhaltestelle.
    »Die wollten also schon mal nicht mit uns kommunizieren. Außer ihrem Hund.« Lara kicherte und wurde gleich wieder ernst. »Hoffentlich hat dieser Rolf die Teilnehmer überhaupt gefragt. Nicht dass wir uns hier umsonst die Füße abgefroren haben.« Sie hatte den Satz noch gar nicht ganz zu Ende gesprochen, als der unförmige Umriss des Leiters in der Tür erschien. Er winkte.
    »Na siehst du.« Jo setzte sich in Bewegung und zog Lara mit. »Ein paar von denen wollen anscheinend doch mit uns reden.« Der Vorraum war überheizt, das Licht blendete. Rolf schloss die Tür hinter Lara und schob sich an ihr vorbei, wobei sein Bauch ihren Hintern berührte. »Ihr dürft mit rein.« Er öffnete die Zwischentür zum Besprechungsraum, während Lara die Schuhparade betrachtete und sich eine ironische Bemerkung über die gnädige Behandlung verkniff. Sie wollten schließlich was von den Leuten hier. Da durfte man nicht gleich zu Beginn auf Konfrontation setzen. Jo war schon vorangegangen, und sie beeilte sich, ihm zu folgen.
    Der Raum wirkte schlicht. Vorn waren etwa zehn Stühle im Kreis aufgestellt, dahinter fanden sich noch zwei Reihen. Wahrscheinlich wechselte die Anordnung je nachdem, was gerade besprochen wurde. Lara hatte das Gefühl, von neugierigen Blicken aufgefressen zu werden. Sie blieb vor dem Stuhlkreis stehen. Rolf, der sich neben dem Tisch mit den Kaffeetassen postiert hatte, zeigte auf Lara und Jo. »Ich hatte euch ja angekündigt, dass noch Besuch kommt. Zwei Zeitungsschreiber, die mit euch reden wollen. Es geht nicht um die Anonymen Alkoholiker und nicht um eure Privatangelegenheiten, und wer keinen Bock auf ein Gespräch hat, kann jetzt gern gehen. Grit und Holger

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