Das sechste Herz
weil er dachte, ich wäre allein hier.« Lara hängte sich bei Jo ein und zog ihn in die andere Richtung.
»Aha, also eifersüchtig …«
»Kann sein. Er wird sich schon wieder einkriegen. Lass uns zum Auto gehen, mir ist kalt. Ich habe einige Neuigkeiten.«
29
»Lisa Bachmann teilt nur einige Informationen mit Fremden.« Lara nahm die Finger von den Tasten und sah zu Jo. »Ihre Facebookseite ist nur für Freunde einsehbar. Leider kann ich mich ja nun nicht mehr mit ihr befreunden. Das Einzige, was man so sehen kann, ist, welche Musikvorlieben sie hat. Bei Büchern steht nichts, bei Fernsehen ein paar belanglose Serien.«
»Ich hab auch noch nichts Relevantes gefunden. In den Internettelefonbüchern finden sich Adresse und Festnetznummer, aber die nützen uns leider nichts.«
»Hier, bei Aktivitäten steht etwas.« Mit einem Mausklick öffnete sich ein neues Fenster, und Lara las vor: »Ewigkeit. Dienst. Genesung.«
»Was hast du denn jetzt erwischt?«
»Die Startseite von den Anonymen Alkoholikern. Mutig, so etwas für alle sichtbar bei Facebook zu posten.«
»Das gehört vielleicht zur Therapie? Dass man seine Sucht offen zugibt?«
»Anonym ist eher das Gegenteil. Aber vielleicht war sie stolz auf ihre Mitgliedschaft oder dass sie trocken ist.«
»Wir sollten uns auf den Weg machen und in ihrem Wohnumfeld recherchieren. Ich glaube, im Internet werden wir nichts Aktuelles finden.« Jo klappte sein Notebook zu und machte Anstalten aufzustehen. »Wenn wir überhaupt etwas finden wollen . Viel Sinn hat das Ganze wahrscheinlich nicht.«
»Warte noch! Hier kann man nach Meetings der Anonymen Alkoholiker suchen. Ich schaue noch schnell, was es in Leipzig so gibt.« Lara rief die Landkarte auf und klickte auf Leipzig. »Das ist ja unglaublich. Jeden Tag mindestens eine Versammlung.«
Jo hatte sich hinter sie gestellt. Sie konnte seinen warmen Atem im Nacken fühlen. »Aber wahrscheinlich nicht überall dieselben Teilnehmer.«
»Bestimmt nicht. Diese offenen Meetings sind sicherlich für jedermann gedacht. Wahrscheinlich treffen sich die Gruppenmitglieder zudem noch extra zu internen Sitzungen. Warte, hier steht es.« Lara las vor. »Am offenen Meeting nehmen außer Alkoholikern auch Familienangehörige, Freunde, Verwandte oder sonst Interessierte teil. Der Ablauf unterscheidet sich im Allgemeinen nicht von dem des geschlossenen Meetings, die Gesprächsthemen und -inhalte liegen jedoch meist – durch die Teilnahme von Nichtalkoholikern – auf einer anderen Ebene. Im geschlossenen Meeting treffen sich nur Alkoholiker und alle, die den Wunsch haben, mit dem Trinken aufzuhören. Jeder, der etwas zu sagen oder zu fragen hat oder sich der Gruppe mitteilen will, kann dies tun.«
Jo legte Lara eine Hand auf die Schulter und sprach weiter. »Diese Lisa Bachmann wird doch sicher nicht durch die halbe Stadt gefahren sein, um zu den Treffen zu gehen. Also nehmen wir als Arbeitshypothese an, dass sie eine Anlaufstelle in der Nähe ihrer Wohnung aufgesucht hat.«
»Am dichtesten an der Jupiterstraße ist das Begegnungszentrum in der Breisgaustraße.«
»Dann lass uns doch dort anfangen.« Lara gab die Adresse des Begegnungszentrums in eine Suchmaschine ein. »Ich ruf da gleich mal an. Donnerstagnachmittag müsste doch jemand vor Ort sein.« Sie wartete nicht auf Jos Antwort, sondern kramte nach ihrem Handy und begann zu wählen. Während sie telefonierte, räumte Jo den Tisch ab und verschwand in der Küche, wahrscheinlich um die Spülmaschine einzuräumen.
»So, mein Lieber. Das war unerwartet einfach. Ich habe mit einem ›Rolf‹ gesprochen. Rolf ist der Leiter der Gruppe.«
»Rolf?« Jo zog die Augenbrauen hoch. »Hat er keinen Nachnamen?«
»Er wird schon einen haben. Aber ihr Grundprinzip sei es, dass alle anonym bleiben können. Deshalb müsse der Vorname reichen.«
»Das kann ja heiter werden.« Es klang ironisch. »Anonymität – der Idealfall für einen Journalisten. Hast du denn überhaupt etwas Interessantes aus Rolf herausbekommen?«
»Sie treffen sich immer dienstags und freitags zu den sogenannten Meetings, also ihren Gruppentreffen.«
»Dann wäre also morgen wieder so ein Meeting?«
»Im Prinzip schon, allerdings handelt es sich bei den Dienstags- und Freitagsterminen laut Rolf um geschlossene Treffen. Außenstehende sind dort nicht zugelassen.«
»Wir könnten uns vor die Tür stellen und die Mitglieder abfangen. Bei einem Mordfall müssten sie doch gesprächig sein! Wir wollen doch nichts
Weitere Kostenlose Bücher