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Das sechste Herz

Das sechste Herz

Titel: Das sechste Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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gleich vor dem Treffen, dann redet ihr mit Frank und könnt wieder gehen.« Der Leiter der Gruppe war plötzlich zugänglich geworden.
    »Wir werden bis dahin auch ein Foto von Lisa Bachmann besorgen. Nicht dass wir die ganze Zeit von verschiedenen Personen gesprochen haben.« Lara nahm ihre Tasche von der Stuhllehne.
    »Dann ist das gebongt. Achtzehn Uhr geht’s los, kommt so gegen halb sechs.«
    Die zwei Männer, die Lara gegenübersaßen und die ganze Zeit nicht ein einziges Wort gesagt hatten, standen jetzt zeitgleich auf, gingen hinaus, kamen mit zwei olivgrünen Armeeparkas zurück und verabschiedeten sich. Friederike hatte unterdessen eine Hand auf Jos Oberschenkel gelegt und sie mit einem nervösen Kichern sofort wieder weggezogen, als der Fotograf sich erhob. Lara kräuselte die Lippen, ging hinüber und legte Jo den Arm um die Hüfte. »Wollen wir los?« Mit einem amüsierten Glitzern in den Augen sah er sie an, lächelte und nickte.

31
    Mark betrachtete die Notizen und durchdachte seine Strategie. Er würde äußerst vorsichtig an die Sache herangehen müssen, um den Kollegen nicht zu verprellen. Frieder Solomon schien sowieso schon ein Problem mit ihm zu haben. Wer weiß, ob er am Telefon überhaupt zu Auskünften bereit war, zumal, wenn er sich in seiner Berufsehre angegriffen fühlte. Der Knackpunkt würde sein, ob Solomon ihm die Begründung für den unerwarteten Anruf abnahm. Dass Mark Teile der Akte gelesen hatte, durfte Solomon keinesfalls wissen.
    Im Vorraum raschelte Schwester Annemarie herum. Ab und zu schniefte sie, dann ertönte lautes Schnauben. Mark stand auf, um die Zwischentür zu schließen. Es gab keine Ausreden mehr, sich vor dem Telefonat zu drücken. Der letzte Patient war vor einer Viertelstunde gegangen, und das Wochenende stand vor der Tür. Daheim warteten Anna und die Kinder. Mark holte tief Luft und atmete aus, bevor er zum Hörer griff und wählte.
    »Solomon.« Es klang brüsk.
    »Hier spricht Mark Grünthal.« Mark wartete auf eine Antwort.
    »Doktor Grünthal.« Eine reine Feststellung. Kein freundliches Hallo, kein »Wie geht’s Ihnen?«, nur der nackte Name. Das würde schwerer werden als gedacht. Am anderen Ende schnaufte es ungeduldig. Mark spulte seine Geschichte ab und lauschte angestrengt nach Anzeichen, dass ihm der Angerufene die Geschichte mit Thorwald Friedensreich abnahm. Er hatte sich zurechtgelegt, dass sein Kollege Thorwald einen ähnlich gearteten Fall wie den von Magnus Geroldsen therapierte und seinen Freund Mark, der Geroldsen damals begutachtet hatte, gebeten hatte, allgemeine Erkundigungen zum Vorgehen bei vergleichbaren Fällen für ihn einzuholen. Da Solomon Thorwald nur vom Hörensagen kannte, war es zumindest möglich, dass dieser eine solche Bitte geäußert haben könnte. Etwas Besseres war Mark nicht eingefallen. Das Schweigen am anderen Ende dehnte sich aus.
    Mark betrachtete seinen Zettel, während er darauf wartete, dass Solomon etwas sagte. Über den Notizen stand: »Doktor Friedensreich bittet um Ihre fachliche Meinung in folgenden Punkten.« Dann kamen die Fragen: Halten Sie es für notwendig, ein Ausgangs- EEG der Patienten zu erstellen? Welche Veränderungen des Blutbildes, der Leber- und Nierenfunktion sowie der Kreislaufsituation haben Sie bei Dauergabe von Benperidol festgestellt? Welche Therapieansätze empfehlen Sie bei Patienten, die sich Gesprächen verweigern? (Hintergrund: Könnte G. sich anderen Mitarbeitern mitgeteilt haben?)
    Die ersten beiden Fragen dienten lediglich dazu herauszufinden, ob Solomon diese Untersuchungen bei Magnus Geroldsen gar nicht vorgenommen oder es lediglich versäumt hatte, diese zu dokumentieren, obwohl auch Zweiteres einem groben Versäumnis gleichkam. Die dritte Frage sollte erklären, woher Solomon seine Informationen über Geroldsens »Besserung« und dessen Gemütszustand hatte.
    Mark atmete aus. »Doktor Solomon? Sind Sie noch dran?«
    »Sicher bin ich noch dran.« Jetzt gab es keinen Zweifel: Solomon war hochgradig verärgert. »Sagen Sie Ihrem Kollegen, wenn er einen fachlichen Disput wünscht, kann er mich gern selbst anrufen. Am Montag bin ich wieder im Dienst.« Klack. Frieder Solomon hatte ohne ein Wort des Abschieds aufgelegt.
    Mark verzog den Mund. Das war denkbar schlecht gelaufen. Eigentlich hätte er es sich denken können, so wie Solomon drauf war.
    »Aber einen Versuch war es wert.« Seine Stimme hallte durch das Zimmer. Jetzt sprach er schon mit sich selbst. Wie ferngesteuert

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