Das sechste Opfer (German Edition)
aber ich nehme mal an, dass sie wie ich bereits seit längerer Zeit im Haus waren und ebenfalls auf ihre Chance gewartet hatten.
Ich kroch zwischen die Bücher und lauschte den Geräuschen, die sie machten. Ein paar Schritte waren zu hören, dem Klang nach handelte es sich um zwei Kerle, die sich nicht auskannten und Raum für Raum untersuchten. Mein einziger Vorteil war der Überraschungseffekt. Sie glaubten, das Haus sei menschenleer. Wenn ihnen plötzlich ein Mann mit Waffe gegenüberstand, würde sie das sicherlich überraschen und mir Zeit zum Reagieren verschaffen. Ich hatte Manuels Beretta in meinen Stiefel gesteckt, in meiner Hosentasche steckte ein Taschenmesser. Außerdem nahm ich mir einen verpackten Bücherkarton, in dem sich zehn Bücher befanden und der dadurch ein ordentliches Gewicht aufwies, zur Hand, um ihn gegebenenfalls als Wurfgeschoss einsetzen zu können.
Wieder tapste ein Schritt durch das Erdgeschoss des Hauses. Sie waren näher gekommen. Ich stellte mich hinter die Tür, nahm den Karton zur Hand und hielt den Atem an, um besser lauschen zu können.
Doch die Kerle waren gut. Bevor ich noch etwas anderes hören konnte, öffnete sich die Tür zur Poststelle, in der ich mich befand. Sie waren angekommen.
Ich holte mit dem Buchpaket aus und schleuderte es dem ersten Eindringling sofort ins Gesicht. Doch er taumelte nur kurz und stieß dann die Tür auf, wobei er einen flinken Schritt ins Innere des Raumes machte und mir unvermittelt gegenüber stand. Er trug einen Helm und schwarze Schutzkleidung wie die Männer vom Bombenentschärfungstrupp draußen. Der zweite, der sofort nach ihm in den Raum sprang, ebenfalls. Plötzlich wurde ich unsicher. Am Ende waren die beiden gar keine angeheuerten Killer von der Schutztruppe der Zwerge, sondern echte Polizisten!
Doch bevor ich auch nur einen Blick auf ihre Uniformknöpfe werfen konnte, lösten sich meine Zweifel völlig in Luft auf, denn der Hintere zog eine Waffe mit Schalldämpfer und richtete sie auf mich. Bevor er abdrücken konnte, sprang ich zur Seite, so dass das Geschoss in die Wand hinter mir ging. Ich griff an meinen Stiefel und zog Manuels Beretta heraus, die ich auf die beiden richtete. Doch der andere hatte inzwischen ebenfalls seine Schalldämpferpistole gezogen, in deren Lauf ich nun ebenfalls starrte. Zwei gegen einen.
Sie waren ungefähr gleich groß, von ähnlicher Statur, in schwarzen Anzügen und schwarzen Helmen mit Visier, die das Gesicht komplett bedeckten. Ich konnte nicht sagen, welches Aussehen sie hatten oder worin sie sich unterschieden. Sie waren anonyme, tödliche Zwillingsgewächse, die weder Gnade noch Mitleid kannten. So standen wir für eine Sekunde, taxierten uns und überlegten, wie man den Gegner am besten ausschaltete oder wie man ihn dazu brachte, eine falsche Bewegung zu machen, bis ich etwas Merkwürdiges am Gürtel des hinteren Kerls bemerkte. Es war ein dunkles Gehäuse, so groß wie eine Spaghettipackung, an dessen Ende sich eine Uhr befand, die eine seltsame Zeit anzeigte.
Als der Kerl meinen Blick bemerkte, zuckte er kurz, als wäre ihm gerade wieder eingefallen, was er da bei sich trug.
Ich ahnte, was es war, und mir wurde sofort siedend heiß. Sie wollten das Gebäude tatsächlich in die Luft jagen. Der Kerl mit der Packung am Gürtel wollte nach der Bombe greifen, ich sah, wie seine Hand dahin wanderte, doch das konnte ich nicht zulassen.
»Untersteh dich. Die Hand bleibt vorn, oder ich schieß dir höchstpersönlich in den Gürtel.«
Seine Hand verharrte an der Stelle in der Luft, an der sie war. Der vordere Kerl drehte leicht seinen Kopf zu seinem Kumpel, um zu wissen, worum es ging, doch dann wanderte sein Blick wieder zu mir.
Sie schwiegen. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich gerade am Drücker war.
»Wie viel Zeit haben wir denn noch?«
Sie schwiegen weiter, aber als ich mich leicht nach vorn beugte, konnte ich die Zeit erkennen. Noch vier Minuten und 32 Sekunden. Das war nicht gerade viel.
»Das habt ihr euch ja schön ausgedacht. Ihr dringt hier ein, legt das Ding ab und verschwindet wieder. Und wenn ihr in Sicherheit seid, fliegt der Laden in die Luft. Aber das könnte jetzt knapp werden.«
Sie antworteten wieder nicht. Offenbar wollten sie nicht mit mir reden. Aber dafür war ich umso mehr in Plauderlaune. »Mich habt ihr hier nicht erwartet. Deshalb könnte euer Rückweg etwas knapp werden.«
Die beiden sahen sich kurz an, dann machte der mit der Bombe wieder eine Bewegung zum
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