Das Sexprojekt: Wie ich (mich) auszog, die beste Liebhaberin der Welt zu werden (German Edition)
Königinnen sind gut versteckt, oder wie Herr O. es ausdrückt: »Die Damen, die Sie interessieren, sind nicht auf unserer offiziellen Homepage zu sehen. Ich schicke Ihnen den Zugangscode für unseren VIP-Bereich.« Wie aufregend, ich war in meinem Leben noch nie ein VIP.
Zu Hause probiere ich sofort den Zugangscode aus. Er ist der Schlüssel zu einer geheimen Welt, in der alle Frauen wunderschön, freundlich und sympathisch sind und wahrhaftig hinreißend aussehen. Alle mit Käsefüßen, vermutlich. Nach dem Auftritt von Herrn O. war mir klar, dass ich hier keine Reizwäsche in Lila, keine Tätowierungen im Steißbereich und auch keine meterlangen Perlenketten zwischen Megabrüsten finden würde. Aber es gibt doch von jeder dieser ungemein schönen, freundlichen, sympathischen und hinreißenden Frauen mit Käsefüßen zumindest ein Foto, das keine Fragen offen lässt. Es ist aber keine nackt. Ihre perfekten Körper sind in einen Hauch von dieser Wäsche gehüllt, die man in Schaufenstern bewundert und bei der man sich vorstellt, dass man sie tragen würde, wenn man einen perfekten Körper hätte. Und viel Geld.
Welche von ihnen die Euro-Königin ist, kann ich jedoch nicht erkennen. Ich verdächtige eine schwarze Schönheit, die aussieht wie Naomi Campbell, nur in sympathisch. Ich frage L. nach seiner Meinung, was sich als grober Fehler herausstellt. Er tippt alle drei Minuten auf eine andere Dame und verliert sich in Superlativen. Ich muss etwas dagegen unternehmen. »Aber die haben alle Käsefüße!«, kläre ich L. auf. »Wie kommst du denn darauf?«
»Das hat mir der Geschäftsführer, Herr O., höchstpersönlich verraten.«
Es nützt aber nichts. L. versucht den ganzen Abend, den Zugangscode herauszubekommen, möglichst unbemerkt. Das geht dann so: »Oh, jetzt ist mir die Seite abgestürzt, wie war der Code noch gleich?«, oder: »Ich glaube, der Code ist der Fibonacci-Folge nachempfunden – stimmt’s?«
Am Tag darauf meldet sich Herr O. per Mail und lässt mich wissen, die Spitzenverdienerin des Betriebs, die Mitarbeiterin des Monats und aller Folgemonate, die Göttin und One-in-a-lifetime-Frau heiße Diana 36 und sei bereit, mich zu treffen. Anfang der Woche sei sie in München, ab Mitte des Monats sei sie in Frankfurt. Diana! L. und ich sehen uns sofort die VIP-Seite an. Diana ist hübsch, brünett und von Beruf Immobilienmaklerin. 37
Herr O. arrangiert unsere Verabredung, wie sollte es anders sein, in der Lobby eines Hotels. 38 Diese Leute haben eine Schwäche für Locations, in denen ein Mineralwasser so viel kostet wie andernorts eine Flasche Barolo.
Vor dem Treffen bin ich entsetzlich aufgeregt. Ungefähr so aufgeregt, als hätte ich ein Date. Was zieht man als Frau zu einer Sitzung mit einem Edel-Callgirl an? Würde ich total lächerlich aussehen neben ihr? Wie die hässliche Freundin mit Brille, die in der Schule als Schatten neben der Schulschönheit mitlief? Wie »Ugly Betty«, nur ohne Happy End? Ich sehe mir noch einmal ihr Profil an, da wird es mir schlagartig klar: Es ist vollkommen egal, was ich anziehe. Auf mich wird sowieso niemand achten. Ich könnte ebenso gut nackt gehen, ohne dass es jemandem auffällt.
Ich gehe dann aber nicht nackt, sondern im Hosenanzug. Diana sehe ich schon von Weitem. Als ich die Lobby betrete, wird mein Blick automatisch von ihr angezogen. Anscheinend geht es allen anderen Anwesenden genauso. Sie ist das Zentrum des Geschehens in diesem Raum, obwohl sie nichts tut, außer zu sitzen und aus dem Fenster zu blicken. Sie begrüßt mich, als sei ich eine lange vermisste Freundin aus Kindertagen. Diana hat grüne Augen und eine perfekte Haarfarbe zwischen blond und braun. Ihr Haar ist mit einer Sonnenbrille von Miu Miu lässig nach oben gesteckt. Ihre Hände sind weich und gepflegt und sie trägt eine schmal geschnittene Stoffhose, dazu ein schlichtes, schwarzes Oberteil. Beides liegt eng an ihrem Körper an und betonte ihre unglaubliche Figur, ohne vulgär zu wirken. Es sieht vielmehr unabsichtlich sexy aus. Diana ist sehr hübsch, aber nicht so schön, dass es einen vom Stuhl haut. Es stimmt einfach alles an ihr: Da ist kein Fleck auf der Hose und kein Schlammspritzer am Schuh, alle Haarsträhnen fallen richtig und nirgends entdecke ich ein Katzenhaar, eine Lippenstiftspur, eine Schuppe oder einen weißen Fleck im Nagelbett. Sie sieht aus wie die Angehörige einer anderen Spezies. Ein bisschen wie diese Schönheiten aus Herr der Ringe , die Elben. So, als würde
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