Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das sexuelle Leben der Catherine M.

Das sexuelle Leben der Catherine M.

Titel: Das sexuelle Leben der Catherine M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Millet
Vom Netzwerk:
denen ich mich ihm darbot; es geschah eher in einem fragenden Ton, denn ich wartete auf Jacques’ Einverständnis, das er mir mit neutraler Stimme und mit gleichgültiger Spontaneität geben sollte, wie jemand, der gerade anderweitig beschäftigt ist – aber seine Gleichgültigkeit war sicherlich nur gespielt –, während sein Schwanz mich dabei sanft und lange pflügte.
    Aus diesen Notizen ziehe ich zwei Schlüsse. Erstens bringt ein jeder in seine Paarbeziehung seine eigene Begierde und seine Fantasien ein, und beide verbinden sie in gemeinsamen Angewohnheiten, Dabei verändern sie sich, passen sich einander an, je nach der von jedem Einzelnen erwarteten Konkretisierung übertreten sie die Grenze zwischen Traum und Realität, ohne an Intensität zu verlieren. Meine Obsession mit der Zahl hat sich im Gruppensex in Begleitung von Claude und Eric realisiert, ihre Bedürfnisse stimmten mit meinen überein. Ich bin nicht frustriert, weil ich noch nie in Begleitung von Jacques Gruppensex hatte (auch nicht, wenn er mir erzählte, dass er es ohne mich trieb); wider Erwarten trennen sich dort die Wege unserer Sexualität nicht. Es genügte mir, dass ich ihm meine Abenteuer schilderte und davon ausgehen konnte, dass sie in seiner Vorstellungswelt ein Echo fanden, genauso wie es ihm genügte, dass er in mir eine gefügige Komplizin für seine Fotoreportagen in mehr oder weniger verschmutzten Landschaften hatte und eine Exhibitionistin, die sich gerne vor seinem Objektiv produzierte, auch wenn meinem Narzissmus etwas schmeichelhaftere Umgebungen und idealisiertere Porträts eher entgegengekommen wären … Der zweite Schluss bezieht sich darauf, dass die Natur nicht die gleichen Fantasien bedient wie die Stadt. Letztere ist als sozialer Raum definiert, es ist der Raum, wo sich das Bedürfnis manifestiert, Regeln zu übertreten und seinen exhibitionistischen bzw. voyeuristischen Trieben nachzugeben. Er setzt die unerwartete Anwesenheit, die Blicke von Fremden voraus; sie können in die Intimsphäre eindringen, die einen teilweise entblößten Körper oder zwei vereinte Körper umgibt. Jene aber, die sich vor Gott als einzigem Zeugen entblößen, streben nach dem fast entgegengesetzten Gefühl, nicht, um die Welt in ihre Luftblase zu lassen, wo sich ihre schnellen Atemzüge vermischen, sondern um sich in ihrer paradiesischen Einsamkeit über die ganze sichtbare Fläche zu entfalten. Hier besteht die Illusion darin, dass ihre Lust im Verhältnis zu dieser Fläche steht, dass der Raum ihres Körpers sich ins Unendliche ausdehnt. Vielleicht sind die Schwingungen in dieser Auflösung, die man auch den »kleinen Tod« nennt, spürbarer, wenn die Körper in Kontakt mit der wogenden Welt des unsichtbaren Lebens sind, das alles verschlingt. Sicherlich spielen die meisten meiner Masturbationsfantasien in einem städtischen Rahmen, wo die Straßenränder der großen Verkehrsadern und die Parkplätze der Hauptstadt auftauchen (außer jenen Fantasien, über die ich schon sprach, gibt es auch noch die: In der überfüllten Metro presst ein Mann seinen Hosenschlitz an meinen Hintern und schiebt meinen Rock hoch, um mir seinen Schwanz hineinzustecken; dies bleibt anderen nicht verborgen, und sie drängen sich durch die Menge, um seinen Platz einzunehmen; die Leute im Waggon teilen sich in solche, die ihren Spaß haben, und solche, die daran Anstoß nehmen und debattieren … Gibt es denn eine »pariserische« Fantasie?). Dennoch glaube ich letztendlich, dass ich eine Vorliebe für weite Räume habe. Die Stadt, die Nacht vermitteln diese Illusion. Wenn Claude und ich zu Beginn unseres Zusammenlebens spät nachts in unsere kleine Vorstadtwohnung gegangen sind, lief ich manchmal vor ihm und schob meinen Rock über meinen nackten Hintern; einfach so. Nicht, um ihn zum Vögeln einzuladen (ich glaube nicht, dass wir das jemals in so einer Situation taten), auch nicht, um einen möglichen Passanten zu schockieren, sondern um die Straße einzuatmen, das Tuch der frischen Luft an meine bebende Spalte zu drücken. Ich frage mich wirklich, ob die Männer der Wäldchen, der Parkplätze durch ihre Zahl und durch ihr schattenhaftes Dasein nicht aus demselben Stoff sind wie der Raum, ob ich mich nicht an den Tuchfetzen der Luft rieb, deren Schussfäden nur dort so dicht sind. Genauer gesagt: Ich verstehe mich sehr gut darauf, meinen Weg über unbekannte Straßen zu finden. Vielleicht gehört die Fähigkeit, in einer Gruppe von einem Mann zum anderen zu

Weitere Kostenlose Bücher