Das sexuelle Leben der Catherine M.
wechseln und zwischen mehreren Liebesbeziehungen zu manövrieren, wie es zu bestimmten Zeiten meines Lebens der Fall war, zur gleichen Gattung innerer Veranlagungen wie der Orientierungssinn.
Die Städte und die Männer
Ganz zu Beginn meines erwachsenen Lebens sind meine sexuellen Erfahrungen untrennbar mit meinem Bedürfnis nach Luft verbunden. So fing alles an. Meine Jungfräulichkeit verlor ich, als ich zum ersten Mal abgehauen bin. Ich hatte mich mal wieder mit meinen Eltern gestritten. Claude, den ich damals noch nicht kannte, klingelte und sagte mir, dass der Freund, mit dem ich verabredet war, verhindert sei, und schlug mir vor, mit ihm auszugehen. Sein Renault schaffte es tatsächlich bis nach Dieppe. Am Strand stellten wir das Zelt auf.
Einige Zeit später verliebte ich mich in einen Studenten aus Berlin. Ich schlief nicht mit ihm (er war ein bedächtiger junger Mann, und ich fragte nicht, ob er es wollte), doch sein großer Körper, der sich an mich drückte, seine großen, weißen Hände ließen mich dahinschmelzen. Ich wollte nach Westberlin ziehen. Der lange Kudamm, der sich bis zu der bläulich schillernden Kirche zog, und die Parks dieser Stadt ließen mich träumen, auch wenn Berlin eine Enklave war. Dann schrieb er mir, dass es nicht klug sei, wenn wir uns so jung verlobten. Ich haue wieder ab, diesmal mit Claude, den ich weiterhin treffe, und seinem Renault. Richtung Berlin, um mit dem zu sprechen, der mit mir Schluss machen will. Ein einfältiger Versuch, heimlich die Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland zu passieren, weil ich nicht die erforderlichen Papiere habe. Der Student kommt an die Grenze, um mit mir zu sprechen, und meine erste Liebesgeschichte endet in einer Caféteria auf einem riesengroßen Parkplatz mitten in einem Wald, Menschen- und Autoschlangen warten vor den Baracken.
Leider behielt ich jahrelang diesen Hang zu spontanen Fluchten bei, was weder gegenüber demjenigen korrekt war, mit dem ich zusammenlebte, noch gegenüber denjenigen, die mich mitnahmen oder die ich treffen wollte und die ich dann wieder sitzen ließ, wenn ich nach Hause zurückkehrte. Diese Rastlosigkeit hatte etwas von der Aufgeregtheit einer jungen Katze, die Claude, Henri, einige andere und mich in die neue Welt des Sex brachte und uns dazu trieb, uns von Zeit zu Zeit alleine von der Gemeinschaft zu entfernen. Das unausgesprochene Gesetz verlangte, dass der Kundschafter sein Abenteuer bei der Rückkehr erzählte, was natürlich nicht immer der Fall war, denn unsere chaotischen Bedürfnisse auf der einen und unser liberales Denken auf der anderen Seite waren eine Mischung aus Öl und Wasser. Zwei Tage weit weggehen mit einem Mann, den ich kaum kannte, oder jahrelang ein Verhältnis mit einem Kollegen in Mailand zu haben – das lohnte die Reise und den Tapetenwechsel genauso wie die Verheißung, auf eine Weise geliebt, berührt und gevögelt zu werden, die ich nicht gewöhnt war. Gerne hätte ich jeden Morgen die Augen unter einer Zimmerdecke aufgeschlagen, die ich noch nicht erkundet hatte, und gerne wäre ich, halb aus den Laken gekrochen, eine Weile schwankend im Niemandsland einer Wohnung verharrt, wo ich seit dem Abend zuvor vergessen hatte, wie man auf die Toilette kommt. In solchen Augenblicken schenkt einzig der andere Körper im Bett, den man verlässt und den man erst seit wenigen Stunden kennt, der aber die ganze Zeit mit seiner Beschaffenheit und seinem Geruch präsent war, das unbeschreibliche Wohlempfinden der Vertrautheit. Wenn ich mich in Gedanken über das Leben der Edelnutten erging, dachte ich oft, dass dies einer der Vorteile ihres Gewerbes wäre. Das Reisen, die Zwischenzeit, in der man sich befindet, wenn man nicht mehr an einem Ort ist, aber auch noch nicht an einem anderen angekommen, kann die Quelle einer Lust sein, die man im gleichen Verhältnis messen kann wie erotische Lust. Wenn im Taxi plötzlich die Spannung abfällt, die dem Aufbruch vorausging, oder wenn ich auf dem Flughafen vor mich hin döse, habe ich das Gefühl, die Hand eines Riesen drückt in meinem Körperinnern auf meinen Bauch und entreißt ihm eine Lust, die bis in die feinsten Nervenenden vordringt; dasselbe empfinde ich, wenn ein Mann mich in einer Weise anschaut, die mir deutlich macht, dass er sich mir im Geiste nähert.
Trotzdem nutzte ich die aus beruflichen Gründen häufigen und weiten Reisen nie dazu, meine Liebhaber zu vermehren. Ich vögelte sehr viel weniger, wenn ich mit meiner Zeit freier umgehen
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