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Das siebte Kreuz

Das siebte Kreuz

Titel: Das siebte Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Seghers
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Aber er hatte sich eine halbe Stunde auf diesen Ausruf vorbereitet. Mettenheimer gab auch die erwartete Antwort. »Das überlassen Sie mir, Schulz.«
     
    »Lieber Mettenheimer«, sagte Schulz, ein Lächeln verbeißend, denn er mochte den alten Mann ganz gut leiden, der da auf der Leiter hockte mit seinem strengen Gesicht, seinem traurigen Schnurrbart. »Der Herr Standartenführer Brand wird Ihnen noch ‘nen Orden schenken. Aber kommen Sie jetzt runter, es ist wirklich alles fertig.« Mettenheimer sagte: »Alles fertig – das gibt’s gar nicht. Aber so weit ist’s fertig, daß der Brand nicht merkt, was nicht fertig ist.« – »Na also.« – »Meine Arbeit soll tadellos sein ob für den Brand, ob für den Sondheimer.«
     
    Schulz sah belustigt hinauf zu dem Mettenheimer, der da auf seiner Leiter hockte wie ein Eichhörnchen auf dem Ast, ganz erfüllt von dem Bewußtsein, seine Pflicht zu tun vor den Augen eines gestrengen, unsichtbaren Auftraggebers.
     
    Als er durch die leeren, jetzt schon farbenprächtigen Zimmer ins Treppenhaus ging, brummelten alle Arbeiter, und der Nazi Stimbert brummelte etwas von Befugnisse überschreiten, von der Arbeitszeit und von zur Rechenschaft ziehen. Schulz sagte ganz ruhig mit lachenden Augen, und die anderen schmunzelten: »Wollen Sie für Ihren Standartenführer nicht mal ‘ne halbe Stunde zulegen?« Da veränderte sich Stimberts Gesicht. Alle Gesichter wurden erfreut und verlegen. Auf der Schwelle des ersten zum Treppenhaus offnen Zimmers stand die Elli, die still und leise heraufgestiegen war. Das Lehrbübchen, das zusammengefegt hatte, stand hinter ihr und grinste. Sie fragte: »Ist mein Vater noch da?« Schulz rief: »Herr Mettenheimer, Ihre Tochter!« Mettenheimer rief von der Leiter herunter: »Welche?« Schulz rief zurück: »Die Elli!« Woher weiß der denn, wie ich heiße, dachte Elli.
     
    Mettenheimer kletterte wie ein Jüngling von seiner Leiter herunter. Jahre waren es her, seit ihn Elli von seinem Arbeitsplatz abgeholt hatte, und Stolz und Freude verjüngten ihn, wie er die Lieblingstochter da stehen sah in dem großen, leeren, einzugsfertigen Haus, eines von den vielen, das er in seinen Träumen für sie tapeziert hatte. Er sah sofort den Kummer in ihren Augen, die Müdigkeit, die ihr Gesicht noch zarter machte. Er führte sie herum, um ihr alles zu zeigen.
     
    Das Lehrbübchen faßte sich zuerst und schnalzte. Schulz gab ihm einen Klaps. Seine Kameraden sagten: »Die ist sauber! Daß der alte Brummdippen so was in die Welt gesetzt hat!«
     
    Schulz zog sich schnell um. Er folgte den beiden, Vater und Tochter, in einigem Abstand, als sie die Miquelstraße heruntergingen, Arm in Arm. Elli sagte: »So war das also heut nacht, und sie werden mich wieder holen, vielleicht wieder heut nacht. Wenn ich Schritte höre, zucke ich zusammen. Ich bin so müd.« Mettenheimer sagte: »Sei ruhig, mein Kind, du weißt nichts und damit fertig. Denk nur immer an mich. Ich verlaß dich nicht. Jetzt aber denk mal ‘ne halbe Stunde nicht an diese Geschichte. Komm, wir setzen uns hier herein. Was für ein Eis willst du denn gern? Gemischtes?«
     
    Elli hätte viel lieber eine Tasse heißen Kaffee getrunken, aber sie wollte nicht ihrem Vater die Freude verderben. Er hatte sie immer zu Eis eingeladen, wie sie noch ein kleines Mädchen war.
     
    Er sagte: »Noch eine Waffel extra.«
     
    Da kam Schulz, sein Erster Tapezierer, von der Straße in dasselbe Cafe. Er kam an den Tisch. »Sie kommen morgen früh doch auf den Bau, Mettenheimer?« Mettenheimer sagte erstaunt: »Ja.« – »Na, da treffen wir uns«, sagte Schulz. Er wartete einen Augenblick, ob Mettenheimer ihn auffordern würde, sich an den Tisch zu setzen. Er gab Elli die Hand und sah ihr geradezu in die Augen. Elli hätte nichts dagegen gehabt, daß dieser frische, ansehnliche Mensch mit dem anständigen, offenen Gesicht sich zu ihnen setzte. Das Alleinsein mit dem Vater war doch ein bißchen beklemmend. Aber Mettenheimer sah den Schulz nur brummig an, bis er sich verabschiedet hatte.
     
     
     

9
     
    »Haben Sie sich auch mal daheim verkracht, Herr Röder, daß Sie sich bei uns hier wohler fühlen?« fragte der Wirt vom Finkenhöfchen. »Meine Lisbeth und ich sind unverkrachbar. – Aber heimlassen würd die mich heut nicht, wenn ich ohne Freikarten ankam. Morgen ist doch der Endkampf Westend-Niederrad. Deshalb geb ich Ihnen so früh am Tag zu verdienen, Herr Fink.« Paul wartete schon die zweite Stunde auf den

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