Das siebte Tor
eindringlich an, nicht, weil er
Einwände erheben wollte, sondern um abzuschätzen, ob sie nur leeres Stroh
drosch oder den Mut hatte, ihren Worten entsprechend zu handeln.
Marit hielt seinem Blick stand. Mordhand nickte
knapp und verließ den Felsspalt, Marit folgte ihm. Wie der Zufall – oder das
Labyrinth – es wollte, hörte der Regen, der ihnen bisher Deckung geboten hatte,
in diesem Moment auf. Eine leichte Brise strich durch die Bäume und
überschüttete sie mit kalten Tropfenschauern. Die beiden standen auf dem
schmalen Pfad und wagten kaum zu atmen.
Kein Wimmern, kein Stöhnen, dabei waren es kaum
hundert Schritte bis zum Höhleneingang. Man sah ihn deutlich, ein gähnendes
schwarzes Loch in der weißgrauen Fläche des Abhangs.
»Vielleicht schläft der Drache«, flüsterte Hugh.
Marit quittierte die Vermutung mit einem Nicken
und einem Schulterzucken. Selbst wenn – Drachen hatten einen leichten Schlaf.
Der Assassine übernahm die Führung. Er bewegte
sich lautlos, mit einer Umsicht und Geschmeidigkeit, für die Marit ihn
bewunderte. Auch sie verursachte kein Geräusch, trotzdem hatte sie das Gefühl,
daß der Drache sie kommen hörte, daß er im Dunkel der Höhle auf der Lauer lag.
Sie erreichten den Eingang. Mit dem Rücken eng
an die Felswand gepreßt, schob Hugh sich behutsam näher heran, um einen Blick
ins Innere zu werfen, ohne selbst gesehen zu werden. Marit wartete in einiger
Entfernung, wo sie, hinter einem Busch verborgen, die Höhle im Auge behalten
konnte.
Immer noch kein Laut. Kein Atemzug, kein Schaben
von Schuppenhaut gegen Stein, kein verletzter Flügel schleppte raschelnd über
felsigen Boden. Der Regen hatte ihr den Schlamm vom Körper gewaschen, und die
Runen auf ihrer Haut strahlten verräterisch hell. Der Drache brauchte nur einen
Blick nach draußen zu werfen, um zu wissen, daß er Gesellschaft hatte.
Trotzdem unternahm sie nichts, um den Schimmer der Runen zu dämpfen, denn er
konnte ihr helfen, in der Dunkelheit Alfred zu finden.
Hugh neigte den Kopf zur Seite und lauschte angestrengt.
Geraume Zeit verharrte er so, bis er Marit ein Zeichen gab. Ohne den Blick von
der schwarzen Öffnung abzuwenden, überquerte sie geduckt den Pfad und lehnte
sich neben ihm an den Fels.
Seine Stimme war nur ein Hauch. »Finster wie im
Herzen eines Elfen da drin. Zu sehen ist nichts, aber ich glaube, ich habe
jemanden atmen gehört. Rechte Seite. Könnte Alfred sein.«
Also lebte er noch. Ein kleiner
Hoffnungsschimmer.
»Irgendeine Spur von dem Drachen?«
»Abgesehen vom Gestank?« Hugh rümpfte die Nase.
»Nein, kein Lebenszeichen.«
Der Geruch war tatsächlich grauenhaft – nach
Verwesung und Fäulnis. Mancher Vermißte aus Abri – der spurlos verschwundene
Schafhirt, das unbeaufsichtigt spielende Kind, der Kundschafter, der nicht
wiederkam hatte möglicherweise in dieser Höhle ein furchtbares Ende gefunden.
Daß von dem Drachen nichts zu sehen und zu hören
war, konnte vieles bedeuten. Vielleicht erstreckte sich die Höhle tiefer in den
Berg, als sie ahnten. Vielleicht gab es einen Hinterausgang. Vielleicht wußte
er tatsächlich nichts von ihrer Anwesenheit. Vielleicht war die Verletzung des
Drachen schwerer als angenommen, und er hatte sich in seinem Schlupfwinkel
verkrochen, um zu schlafen. Vielleicht – vielleicht…
Marit waren im Leben nur wenige Dinge geglückt.
Sie hatte immer die falsche Entscheidung getroffen, das Falsche gesagt oder
getan oder war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Sie hatte den Fehler
gemacht, bei Haplo zu bleiben, dann machte sie den Fehler, ihn zu verlassen.
Sie hatte den Fehler gemacht, Xar zu vertrauen. Schließlich beging sie den
Fehler, ihre Liebe zu Haplo neu zu beleben, nur um ihn wieder zu verlieren.
Endlich mußte sie doch einmal Glück haben. Ein
einziges Mal, das war das Schicksal ihr schuldig!
Der Drache soll schlafen.
Ich will weiter nichts, als daß der Drache
schläft, tief und fest.
Wie Schatten glitten sie und Hugh ins Innere der
Höhle. Der Eingang war nicht sehr breit oder hoch, ein knapp bemessener
Durchschlupf für den Drachen, wie die glitzernden roten Schuppen oben und an
den Seiten des Felsenbogens verrieten. Hinter der kurzen Passage öffnete sich
eine große, annähernd kreisrunde Grotte. Marits bläulichrotes Runenlicht
huschte über die feuchten Wände und eine Öffnung im hinteren Teil der Höhle.
Sie war groß genug für den Drachen, und offenbar hatte er
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