Das siebte Tor
nickte bedeutungsvoll. »Die Patryn
versuchen, aus dem Labyrinth auszubrechen – das ist noch eine schlechte
Nachricht, die ich überbringe. Sie haben sich zum Sturm auf das Letzte Tor
gesammelt.«
Ramu war entsetzt. »Das muß eine nach Tausenden
zählende Streitmacht sein!«
»Ja, richtig.« James nickte. »Du wirst alle
waffenfähigen Männer brauchen und dazu die Sartan von Abarrach…«
»… um diesem Übel Einhalt zu gebieten!« schloß
Ramu und hob die geballten Fäuste.
»Um diesem Übel Einhalt zu gebieten«,
wiederholte James feierlich. »Du mußt dich sofort ins Labyrinth begeben. Ich
bin überzeugt, dein Vater hätte es so gewollt.«
»Sicherlich.« Ramus Gedanken eilten voraus. Er
vergaß, daß er sich gefragt hatte, wo er diesem Mann begegnet sein könnte,
wann, unter welchen Umständen. »Und dieses Mal werden wir keine Gnade walten
lassen. Das war der Fehler meines Vaters.«
»Samah hat für seine Fehler bezahlt«, meinte
James ruhig, »und ihm wurde vergeben.«
Der junge Sartan achtete nicht auf ihn. »Dieses
Mal werden wir uns nicht damit begnügen, die Patryn in ein Getto einzuschließen
– wir werden sie vernichten, ausrotten.«
Er schickte sich an, den Raum zu verlassen, aber
da kam ihm plötzlich seine Unhöflichkeit zu Bewußtsein. An den Besucher
gewandt, sagte er: »Ich danke Euch, Herr, daß Ihr mir die Nachricht gebracht
habt. Seid versichert, daß meines Vaters Tod gerächt werden wird. Ich muß
jetzt gehen, um die anderen Ratsmitglieder zu unterrichten, doch ich werde Euch
einen unserer Servileren schicken. Selbstverständlich seid Ihr Gast in meinem
Haus. Wenn ich sonst noch etwas tun kann…«
»Nein, das ist nicht notwendig.« James
schüttelte den Kopf. »Geh nur und tu, was getan werden muß. Ich komme schon
zurecht.«
Erneut empfand Ramu diese unbestimmte
Irritation. Nicht, daß er an den Worten des Fremden zweifelte – ein Sartan ist
unfähig, einen anderen Sartan zu belügen. Aber den Mann umgab ein Geheimnis…
James ließ unbewegt, mit einem Lächeln, Ramus Musterung
über sich ergehen.
Schließlich verzichtete Ramu darauf, sich noch
weiter den Kopf zu zerbrechen. Wahrscheinlich handelte es sich um eine
Lappalie, überdies war es schon sehr lange her. Auf ihn warteten drängendere,
die Gegenwart und Zukunft betreffende Probleme. Er verneigte sich und ging
hinaus.
Der fremde Sartan blieb mitten im Zimmer stehen
und schaute ihm nach. »Ja, du erinnerst dich an mich, Ramu. Du warst einer der
Wächter, die an jenem Tag kamen, um mich zu verhaften. Am Tag der Teilung. Ihr
kamt, um mich zum Siebten Tor zu bringen. Ich hatte Samah gedroht, ich würde
ihn aufhalten. Er fürchtete mich. Was Wunder, längst war es mit ihm soweit, daß
er alles und jeden fürchtete.«
James seufzte.
Er trat an den Steintisch und malte mit dem Finger
Zeichen in den Staub. Trotz der Überschwemmung, die erst vor kurzem
zurückgegangen war, sah jeder Gegenstand im Calix aus wie von einer feinen,
grauen Puderschicht überzogen.
»Doch ich war nicht mehr da, als ihr mich holen
wolltet, Ramu. Ich hatte mich entschlossen zu bleiben. Auch wenn es nicht in
meiner Macht stand, die Katastrophe zu verhindern, ich war entschlossen, den
Unglücklichen beizustehen, die von euch ihrem Schicksal überlassen wurden.
Doch ich konnte nicht helfen. Es war ein Massensterben, dem ich ohnmächtig
zusehen mußte.
Aber diesmal nicht!«
Seine Züge, die Umrisse seiner Gestalt schienen
sich aufzulösen, von einem Augenblick zum anderen verwandelte er sich in einen
alten Mann mit einem struppigen Bart, der lange mausgraue Gewänder trug und
auf dem Kopf einen schäbigen, ramponierten spitzen Hut. Der Alte strich über
seinen Bart und griente selbstgefällig.
»Vermasselt, von wegen! Warte, bis du erfährst,
wie prima ich das gedeichselt habe. Genau nach deinen Anweisungen, du überdimensionale
Blindschleiche von einem Drachen…
Das heißt« – Zifnab rieb sich unschlüssig die
Nase »ich glaube, das waren deine Anweisungen. ›Um jeden Preis mußt du Ramu
dazu bringen, sich ins Labyrinth zu begeben.‹ Ja, das hast du gesagt…
Oder? Oder hieß es: ›Halte um jeden Preis Ramu
vom Labyrinth fern‹?
Das mit dem ›um jeden Preis‹ stimmt jedenfalls.«
Zifnab nickte bekräftigend. »Wegen dem Rest bin ich mir nicht ganz sicher.
Vielleicht… Vielleicht sollte ich kurz einen Blick ins Drehbuch werfen und mich
vergewissern.«
Stracks schlurfte der alte
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