Das siebte Tor
Calix, sondern die gesamte Wasserwelt und darüber hinaus die drei anderen
Welten – der Lüfte, aus Feuer und aus Stein.
Samah schüttelte ernst den Kopf. »Ich sehe nur,
was wir zerstört haben«, sagte er.
Das waren seine letzten Worte, bevor er durch
das Todestor schritt.
»Leb wohl, Vater«, rief Ramu ihm hinterher.
»Wenn du im Triumph zurückkehrst, an der Spitze verbündeter Legionen, wirst du
deinen Kampfgeist wiedergefunden haben.«…
Doch Samah kehrte nicht zurück. Es kam auch
keine Nachricht aus Abarrach.
Und jetzt, obwohl Ramu es sich nur widerwillig
eingestand, war es den Nichtigen gelungen, die Götter zu besiegen! Ihre Herren
und Meister! Wie er auch hin und her überlegte, Ramu sah keinen Weg aus dem
gegenwärtigen Dilemma. Weil die Schleusen sich unter der Wasseroberfläche
befanden, war es für die Sartan unmöglich, sie mittels Magie zu zerstören. Wir
könnten auf mechanische Methoden zurückgreifen. In der großen Bibliothek gibt
es Bücher, die davon berichten, wie in vergangener Zeit die Menschen
vernichtenden Sprengstoff hergestellt haben.
Doch Ramu war kein Mann, der sich selbst etwas
vormachte. Er betrachtete seine Hände – weich und glatt, die Finger lang und
empfindsam –, Hände eines Zauberkünstlers, darin geübt, mit dem Immateriellen
zu hantieren, nicht die eines Handwerkers. Der ungeschickteste Zwerg war
fähig, innerhalb kürzester Zeit herzustellen, wofür Ramu, angewiesen allein auf
seine Fingerfertigkeit, Stunden brauchen würde.
»Vielleicht könnte es uns nach tausend
Fehlschlägen gelingen, eine Vorrichtung anzufertigen, um die Schleusen zu
verbarrikadieren. Doch dann werden wir sein wie die Nichtigen«, sagte Ramu zu
sich selbst. »Da wäre es noch besser, selbst die Schleusen zu öffnen und das
Wasser hereinzulassen!«
Ihm kam ein ungeheuerlicher Gedanke. Vielleicht
sollten wir fortgehen und den Nichtigen Chelestra überlassen. Dann hätten sie
Raum und Muße, um sich gegenseitig zu bekriegen, wie sie es – Alfreds
Berichten zufolge- auf den anderen Welten taten.
Auf einmal wurde ihm bewußt, daß die anderen
Ratsmitglieder besorgte, ängstliche Blicke tauschten. Zu spät erkannte er, daß
die unerquicklichen Gedanken sich auf seinem Gesicht gespiegelt hatten. Seine
Züge verhärteten sich. Jetzt fortzugehen war gleichbedeutend mit dem
Eingeständnis der Niederlage. Lieber wollte er in dem blaugrünen Wasser
ertrinken.
»Entweder verlassen die Nichtigen den Calix,
oder sie unterwerfen sich unserer Oberhoheit. Eine andere Alternative gibt es
nicht. Ich nehme an, daß der Rat zustimmt?« Ramu schaute sich um.
Es wurde kein Widerspruch laut, auch wenn einige
vielleicht nicht seiner Meinung waren. Dies war nicht die Zeit für Uneinigkeit.
»Falls sich die Nichtigen weigern, diese
Bedingungen zu akzeptieren«, fuhr Ramu fort, wobei er der Reihe nach jeden der
Anwesenden durchdringend ansah, »wird das Konsequenzen haben. Ernste
Konsequenzen. Darüber soll man sie nicht im unklaren lassen.«
Die Ratsmitglieder atmeten auf. Wie es schien,
hatte ihr Archont einen Plan. Sie beauftragten einen der Ihren, mit den
Nichtigen zu verhandeln, und gingen wieder ihrer jeweiligen Beschäftigung
nach, die unter anderem darin bestand, die Schäden der Überschwemmung zu
beseitigen. Ramu blieb allein am Tisch sitzen. Er war froh darüber, ungestört
seinen Gedanken nachhängen zu können, bis ihm plötzlich zu Bewußtsein kam, daß
sich noch jemand in dem Gemach befand.
Ein fremder Sartan war hereingekommen.
Ramu musterte ihn erstaunt. Er hatte das Gefühl,
ihm schon einmal begegnet zu sein, aber wann, wo, unter welchen Umständen?
Mehrere hundert Sartan lebten im Calix. Ramu, als Politiker, kannte alle
Gesichter und auch die meisten Namen. Ärgerlich, daß ihn diesmal sein
Gedächtnis im Stich ließ.
Er erhob sich zuvorkommend. »Guten Tag, Freund.
Wenn Ihr Euch eingefunden habt, um dem Rat ein Anliegen vorzutragen, kommt Ihr
zu spät.«
Der fremde Sartan schüttelte lächelnd den Kopf.
Er war ein Mann mittleren Alters, stattlich, mit hoher Stirn, markanten Zügen
und traurigen, nachdenklichen Augen.
»Dann bin ich zur rechten Zeit gekommen«, meinte
er, »weil ich mit dir sprechen wollte, Archont. Falls du Ramu bist, Sohn von
Samah und Orla?«
Ramu runzelte die Stirn, verärgert darüber, daß
der Fremde seine Mutter erwähnte. Sie war wegen Hochverrats verbannt worden,
zusammen mit Alfred, dem Ketzer, ihr Name
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