Das siebte Tor
Schweigens. Er gab durch nichts zu erkennen, daß er ihr Erscheinen bemerkt
hatte. Verunsichert blieben sie stehen und schauten sich an, bis einer von
ihnen – der älteste – vortrat.
»Sartan sind gekommen, Gebieter«, äußerte er
sich zaghaft.
Xar gab keine Antwort. Er nickte nur grimmig und
dachte: Sartan. Und sie sind uns vier zu eins überlegen.
»Wir werden kämpfen, Gebieter. Gebt den Befehl…«
Kämpfen! Endlich Rache nehmen an dem Erzfeind.
Die Erwartung, das Verlangen schnürten ihm die Brust zusammen, sprengten ihm
fast das Herz. Als wäre er wieder jung und voller Begeisterung.
Das Feuer der Leidenschaft erlosch unter dem
eiskalten Guß der Logik.
»Ramu lügt«, sagte Xar zu sich. »Dieses Gerede
vom Labyrinth ist eine Täuschung, ein Ablenkungsmanöver. Er hofft, uns von
Abarrach wegzulocken, damit er freie Hand hat. Auch er will das Siebte Tor
finden.«
»Gebieter!« rief der Patryn, der zum jenseitigen
Ufer hinüberschaute. »Sie haben Marit in ihrer Gewalt. Sie nehmen sie
gefangen!«
»Wie lauten Eure Befehle, Fürst?« Seine Vasallen
hatten keine Zweifel, keine Bedenken. Sie bebten vor Kampfbegier.
Sie sind uns vierfach überlegen. Aber mein Volk
ist stark. Wenn ich bei ihnen bin…
»Nein.« Xars Ton duldete keinen Widerspruch.
»Beobachtet die Sartan. Stellt fest, was sie tun, wohin sie gehen. Sie
behaupten, auf dem Weg ins Labyrinth zu sein.«
»Ins Labyrinth, Gebieter!« Seine Patryn mußten
von den Kämpfen dort erfahren haben.
»Dieses Mal wollen sie uns den Garaus machen«,
sagte einer.
»Nur über meine Leiche«, erwiderte ein anderer.
Über viele, viele Leichen, dachte Xar, laut aber
sagte er:
»Ich glaube nicht, daß sie wirklich vorhaben,
ins Labyrinth zu segeln. Dennoch, es ist gut, vorbereitet zu sein. Laßt sie
hier unbehelligt, aber haltet euch bereit zum Auslaufen. Sollten sie
tatsächlich Kurs auf das Todestor nehmen, folgt ihnen.«
»Sollen wir alle an Bord gehen, Gebieter?«
Xar überlegte einen Moment. »Ja«, antwortete er
schließlich. Falls Ramu mit seiner Streitmacht in die Schlacht um das Letzte
Tor eingreifen wollte, brauchten die Patryn dort dringend Verstärkung. »Ja,
alle. Du hast die Befehlsgewalt, Sadet. In meiner Abwesenheit.«
»Aber Gebieter…« Der Mann wollte protestieren,
aber Xars kalter Blick ließ die Worte auf seinen Lippen ersterben. »Ja, mein
Fürst.«
Xar wartete, bis seine Befehle ausgeführt
wurden. Die Patryn verließen den Amboß und stiegen wieder zu ihrem eisernen
Schiff hinunter. Sobald er allein war, begann der Fürst des Nexus einen Kreis
feuriger Runen in die Luft zu zeichnen, trat hinein und verschwand.
Die zurückbleibenden Patryn sahen das Flackern
der Magie auf dem Amboß. Sie schauten nach oben, bis das Leuchten erstarb, dann
manövrierten sie langsam und vorsichtig das Eisenschiff aus der Bucht, brachten
es in eine Position, von der aus sie den Feind beobachten konnten, und hielten
sich bereit, ihm in das Todestor zu folgen.
»Tor von einem Sartan, dein Hochmut macht dich
blind!« Umhüllt von der schützenden Aura der roten und blauen Sigel stand Marit
aufgerichtet vor Ramu. In der Hand hielt sie das blanke Runenschwert. »Frag jemanden
deines Volkes, wenn du mir nicht glaubst. Frag Alfred. Er ist im Labyrinth
gewesen! Er hat gesehen, was dort vorgeht!«
»Sie sagt die Wahrheit«, bestätigte Alfred
ernst. »Die Drachenschlangen – ihr kennt sie von Chelestra – sind diejenigen,
die versuchen, das letzte Tor zu verschließen. Die Patryn verteidigen sich
gegen diese furchtbare Heimsuchung. Ich weiß es. Ich war dort.«
»Ja, du bist dort gewesen«, höhnte Ramu. »Und
das ist der Grund, weshalb ich dir nicht glaube. Wie mein Vater sagte, du bist
mehr Patryn als Sartan.«
»Du kannst die Wahrheit in meinen Worten sehen…« 8
Ramu funkelte ihn an. »Ich sehe Patryn, die sich
am Letzten Tor sammeln. Ich sehe die Stadt, die wir für sie gebaut haben, in
Flammen stehen. Ich sehe Horden mordgieriger Kreaturen, die ihnen zu Hilfe
kommen, darunter auch die Drachenschlangen… Willst du das leugnen?«
»Ja.« Alfred bemühte sich um einen versöhnlichen
Ton, damit die feindselige Atmosphäre sich nicht noch verschlimmerte. »Du
siehst, Ramu, aber du verstehst nicht.«
Der junge Sartan musterte ihn mit hochgezogenen
Augenbrauen, dann wandte er sich angewidert ab. »Ihr da – entwaffnet die Frau.«
Er deutete auf Marit. »Nehmt sie gefangen und bringt sie an Bord
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