Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
Trümmer und Wrackteile eines Schiffs sein. Noch hatte niemand das Wrack entdeckt, was nicht weiter verwunderlich war. Dieser Teil der Bucht konnte von oben nicht eingesehen werden, und nur wenige Wagemutige kannten den Weg nach unten. Plötzlich begriff er: Die Planke, die er in den Händen hielt, bezeichnete den Namen des gestrandeten Schiffs!
Tenan erhob sich gespannt. Wieder fiel für einen kurzenAugenblick ein Schatten über ihn. Diesmal war kein Laut zu hören. Sein Blick wanderte über den Himmel. Wieder nichts. Kein Lebewesen war zu sehen, kein Vogel, kein Flugdrache, der den Schatten verursacht haben könnte. Tenans Beklommenheit wuchs.
In einiger Entfernung, zwischen zwei scharfkantigen Klippen, konnte er das Heck des Schiffs emporragen sehen. Von dem übrigen Schiffsrumpf fehlte jede Spur. Abgebrochene Planken stachen in die Luft wie Knochen. Das Wrack erinnerte an das Maul eines riesigen Seeungeheuers, das jeden verschlingen würde, der sich in seine Nähe wagte. Tenan ging um den zerborstenen Rumpf herum, hielt sich jedoch in respektvollem Abstand. Die Reste von Segelfetzen und Tauen hingen von der Bordwand, eine Seite war von Felsen aufgerissen. Aus dem Inneren drang ein rotes, diffuses Glühen, das selbst bei Tageslicht zu erkennen war. Es sah aus, als quelle Blut aus einer Wunde. Das Leuchten zog ihn magisch an.
Zögernd trat Tenan näher. Eine feierliche, bedrückende Stille ergriff von ihm Besitz. Schließlich überwand er seine Furcht und kletterte in das Wrack hinein. Vielleicht fand er ein paar wertvolle Gegenstände oder sonst etwas Nützliches zwischen den Trümmern. Das rote Leuchten wurde stärker, je tiefer er sich in das Innere des Schiffs vorwagte. Es kam aus einem der hintersten Räume und leitete ihm den Weg. Wasser tropfte von den schwarzen Balken, es roch modrig und nach Seetang. Da das Heck schräg auf dem Sand lag, war es schwierig, die Kajüten und Lagerräume zu erreichen. Tenan musste sich an den Wänden und Türrahmen festhalten, um nicht hinabzurutschen. Die Kajüten waren leer, soweit er das beim flüchtigen Hineinsehen beurteilen konnte. Die See hatte alle Gegenstände von Wert restlos hinausgespült. Nirgendwo warenSpuren der Mannschaft zu finden, weder Überlebende noch Tote.
Er erreichte die Kapitänskajüte. Ihre Tür hing schief in den Angeln, dahinter verbarg sich die Quelle des seltsamen roten Lichts. Die Tür knarrte, als er sie aufschob, das Geräusch ließ ihn zusammenfahren. Aus den Augenwinkeln nahm er eine flüchtige Bewegung wahr. Er wirbelte herum – doch da war nichts. Vielleicht nur eine Täuschung des Lichts? Es war totenstill. Lediglich das unregelmäßige Tropfen von Wasser, das Ächzen der Planken und das Rauschen der Wellen drangen an sein Ohr.
Er biss sich auf die Lippe, wie er es immer tat, wenn er äußerst angespannt war, und lugte in die Kajüte.
Ihm stockte der Atem. Das Bild, das sich ihm bot, war schauerlich.
In der Mitte des Raumes lag das verkrümmte Skelett eines Menschen auf dem Boden. Seiner ärmlichen, geflickten Kleidung nach zu urteilen, musste es sich um einen Matrosen handeln. Seine Gebeine, die gänzlich von Fischen und anderem Getier abgenagt worden waren, schimmerten gespenstisch in einem dunkelroten Licht, das wie Blut aus seiner rechten Hand hervorsickerte. Die Finger hatten sich fest um einen Beutel gekrümmt, so als wollte der Mann ihn auf keinen Fall loslassen. Eine dünne Silberkette war an dem Beutel befestigt. Auf seiner Oberfläche schimmerte eine spiralförmige Rune in den Farben des Regenbogens. Ein rot leuchtender Gegenstand war ein wenig aus der Öffnung herausgerutscht und erfüllte den Raum mit dem bedrohlichen Licht.
Tenan näherte sich vorsichtig und kniete nieder. Es kostete ihn einige Überwindung, die Skelettfinger des Toten von dem Beutel zu lösen. Sie zerfielen lautlos zu Staub. Behutsam hob erden Beutel empor und ließ seinen Inhalt aus der Schutzhülle in seine Hand gleiten. Es war ein Kristall, wie er mit Erstaunen feststellte. Der handtellergroße Edelstein war geformt wie eine Scheibe mit vollkommener Rundung, beide Seiten waren leicht nach außen gewölbt. Er glich dem Abbild der untergehenden Sonne, deren Leuchten eine unheilvolle Stimmung verbreitet. Die Lichtstrahlen flirrten und schimmerten unruhig, tasteten wie Finger gierig umher, als suchten sie etwas. Der Stein fühlte sich unnatürlich kalt an. Tenans Hand wurde taub und empfindungslos.
Ihm wurde plötzlich sonderbar zumute. Er nahm
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