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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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stellte eine Verletzung ihrer Ehre und ihres Drangs nach Unabhängigkeit dar. Vor einigen Jahren hatte der Hochkönig seine Truppen deshalb größtenteils zurückgezogen, und die Südinseln hatten eine weitgehende Autonomie zurückerlangt, obwohl sie weiterhin unter dem Protektorat Andorins standen und immer noch zum Reich von Algarad gezählt wurden. Die Südvölker freilich sahen das anders ...
    Weit entfernt im Westen erstreckte sich Lindunikar, »Das Licht der Nacht«, wie die ausgedehnte Insel jenseits des Großen Ozeans genannt wurde. Die Entfernung zu ihr war so groß, dass kaum ein Seefahrer kühn genug war, dorthin zu segeln. Zu gefährlich war die Reise; es hieß, ein Ring von steilen Felsen und Riffen versperre die Zufahrt, und nur wenige Eingeweihte könnten ihn sicher durchqueren. Dennoch wusste jedermann in Algarad von der Existenz des Eilands, obwohl nicht einmal die gängigen Seekarten seine Lage verzeichneten. Manchmal – sehr selten allerdings – fuhren Schiffe in die Häfen ein, die von dort entsandt worden waren. Groß und stattlich waren sie, strahlend weiß und manchmal mit einem Hauch von Silber überzogen. Doch nur wenige Menschen bekamen die Seefahrer und Händler aus Lindunikar zu Gesicht.
    Der Handel blühte innerhalb des Inselreichs, und es hatte sich ein einigermaßen stabiles Gleichgewicht des Friedens und des bescheidenen Wohlstands zwischen den Fürstentümern eingependelt. Nur aus dem östlich gelegenen Caithas Dun, das auch »Insel des Todes« genannt wurde, ging nie ein Schiff vor Anker, und das war gut so. Jeder Seefahrer segelte in einem weiten Bogen daran vorbei. Man kannte das Böse, das sich dort eingenistet hatte. Seit vielen tausend Jahren überzog Achest, der Herrscher von Caithas Dun, das Reich Algarad mit Kriegen, Krankheiten und anderem Übel. »Siehst du des Morgens ein Segel im Osten, wird die Sonne am Abend in schwarzem Rauch versinken« – so lautete ein altes Sprichwort. Auch der Sturm, der vor einigen Tagen über Gondun hinweggefegt war, war aus dem Osten gekommen. Er hatte verheerende Schäden verursacht, Bäume entwurzelt, Dächer abgedeckt, Bäche zu reißenden Flüssen anschwellen lassen, Erdrutsche ausgelöst und Straßen unpassierbar gemacht.
    Doch nun war er vorbei, die letzten Regenschauer hatten sich verzogen, und es bestand Hoffnung auf besseres Wetter. Tenan hatte mittlerweile ein Gutteil des Weges nach Lagath zurückgelegt und konnte die Häuser und kleinen Türme bereits in der Ferne weiß schimmern sehen. Der Hafen war nicht groß. Die Häuser lagen in einer Senke zwischen zwei schroffen Klippen eingebettet. Das Zentrum bildete der Marktplatz, um den sich Lager- und Warenhäuser drängten. Gen Norden hin waren vier lange Stege aus Holz und Stein in das Meer gebaut worden, an denen Schiffe anlegen konnten. Tenan freute sich jedes Mal, wenn Osyn ihn nach Lagath schickte. Er hatte Freunde dort und gute Gründe, die Zeit seiner Rückkehr nach Esgalin so lange wie möglich hinauszuzögern. Trysh und Tink, die Söhne des Hafenmeisters, waren vortreffliche Segler; wenn die See es zuließ und der Wind nicht zu stark war, veranstalteten sie halsbrecherische Wettfahrten um die Klippen. Alle wussten, welche Gefahr sie dabei eingingen, denn es hatte schon viele Unfälle gegeben; erst letztes Jahr war Tink beinahe ertrunken, als sein Boot von der Brandung erfasst worden war und gegen die scharfen Kanten der Felsen geschmettert wurde. Tenan, der ein guter Schwimmer war, hatte ihn im letzten Augenblick retten können. Seitdem waren die Wettfahrten von der Hafenmeisterei verboten worden, aber die jungen Leute hielten sich nicht daran. Nach dem Orkan vor einigen Tagen war allerdings nicht daran zu denken, jetzt ein Wettsegeln abzuhalten. Das Meer war noch viel zu aufgewühlt und unsicher, das leuchtete selbst Tenan ein. Trotzdem brannte er darauf, nach Lagath kommen. Er hatte seine Freunde schon lange nicht mehr gesehen und hoffte, sie hatten den Sturm unverletzt überstanden.
    Da er die Gegend gut kannte, entschied er sich, den Wegoberhalb der Klippen zu verlassen und einen schmalen Pfad am Hochufer hinabzusteigen. So konnte er ein wenig Zeit sparen. Glücklicherweise hatte der Orkan den Hang nicht zum Rutschen gebracht. Trotzdem war es eine waghalsige Kletterpartie. Die Felsen waren noch feucht vom Regen. Oft rutschte Tenan auf losen Steinen aus, die in die schwindelerregende Tiefe klackerten. Weit unter ihm verlief der Sandstrand, dessen schmales Band sich im

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