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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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aus der Ferne auf einmal einen klagenden Schrei, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er drang dumpf von weit oben durch das Blätterwerk. Tenan kannte den Schrei. Seit der Begegnung mit dem Schattenwesen am Bugfels hatte er sich tief in sein Bewusstsein gegraben. Der Gedanke, dass einer der Schatten ihn verfolgte, erfüllte ihn mit Entsetzen.
    Er mochte einige Schritte zurückgelegt haben, da hörte er wildes, kehliges Gebrüll aus einem anderen Teil des Waldes, vermischt mit Wortfetzen einer fremden, hart klingenden Sprache, die ihm unverständlich war. Metall klirrte. Wer auch immer ihn verfolgte, gab sich keine Mühe mehr, unbemerkt zu bleiben.
    Tenan verließ den Weg und flüchtete sich tief ins Gebüsch. Zweige schlugen ihm ins Gesicht und verkratzten seine Haut. Irgendwo duckte er sich unter ein paar Farnwedel und belaubte Äste und verharrte regungslos. Sein Atem ging stoßweise, sein Herz pochte so heftig, dass er glaubte, der ganze Wald müsste davon widerhallen.
    Die Bäume um ihn herum schienen erwartungsvoll zu lauschen, während das Zwielicht langsam zunahm. Tenan schätzte, dass sich die Sonne dem Horizont näherte und die Dämmerung einsetzte. Die Aussicht, die Nacht im Wald zu verbringen, versetzte ihn in Panik, aber er wagte es nicht, aufzustehen und weiterzugehen.
    Dann, irgendwo im Unterholz, vernahm er abermals Schreieund das Krachen von Ästen. Irgendjemand brüllte Befehle. Es waren rohe, kreischende Stimmen, die sich schnell wieder aus dem Umkreis von Tenans Versteck entfernten.
    Außer einer Stimme. Sie war nah. Zu nah.
    »Wo bist du? Komm heraus aus deinem Versteck!«
    Tenan hörte ein tiefes Knurren und Fluchen, begleitet von stampfenden, schweren Schritten. Er duckte sich tiefer ins Gebüsch, konnte aber der Versuchung nicht widerstehen, zwischen den Blättern hindurchzuspähen.
    Eine mächtige Gestalt bahnte sich mit wuchtigen Schwerthieben einen Weg durchs Unterholz. Sie trug eine Rüstung aus besonders gehärtetem Stahl, dem sogenannten Scildraun, die bei jeder Bewegung schepperte und klirrte. Der Helm über dem breiten Brustharnisch wandte sich suchend hin und her, Tenan erkannte das Glühen roter Augen in den Sehschlitzen. Er wusste sofort, dass es sich um einen Gredow handelte.
    »Ich kann deine Angst riechen!«, rief der Krieger. Er schien äußerst wütend zu sein, sog die Luft scharf durch seine Nüstern und schnupperte. Nur wenig entfernt von Tenans Versteck, bei einem Jurnbaum, blieb er stehen.
    Tenan starrte den Krieger zwischen den Zweigen hindurch an, unfähig, den Blick abzuwenden.
    Eine Zeit lang war nur sein schnaufender Atem dumpf hinter dem Visier seines Helms zu hören. Schließlich legte er den Kopf in den Nacken, ballte die Fäuste und brüllte. Sein Schrei hallte bedrohlich durch den Wald. Es dauerte eine Zeit, bis seine Kameraden auf die gleiche Weise antworteten. Ihr Gebrüll kam irgendwo aus der Ferne und verlor sich zwischen den Stämmen.
    »Ich werde dich finden, entweder jetzt oder später«, grollte der Gredow. »Du kannst dich nicht ewig verbergen.«
    Tenan glaubte ihm, doch dann kamen ihm Zweifel. Wenn der Krieger seine Furcht riechen konnte, warum hatte er ihn dann nicht schon längst entdeckt?
    »Meine Kameraden rufen mich. Vielleicht haben sie mittlerweile deinen Begleiter entdeckt.«
    Tenan erstarrte. Sie hatten Urisk aufgespürt?
    Wieder wartete der Unhold eine Weile auf eine Reaktion, doch Tenan wagte nicht, sich zu rühren.
    »Agnoth gord shalek!«, fluchte der Krieger endlich in der Sprache der Gredows. Er holte mit dem Schwert aus und schlug es wutentbrannt tief in den Stamm des Jurnbaums. Der Hieb war so gewaltig, dass der Baum erzitterte, Rindensplitter flogen in alle Richtungen. Offenbar machte der Krieger seiner Wut Luft, dass er seine Beute nicht finden konnte. Er riss sein Schwert frei und hackte auf einen armdicken Ast des Jurnbaums ein, bis er zu Boden fiel; er packte ihn und schleuderte ihn zur Seite. Nur wenig entfernt von Tenans Versteck bohrte er sich ins Moos, Blätter und Zweige regneten herab.
    Tenan blinzelte, seine Hände krallten sich in den Waldboden.
    Der Krieger schien sich etwas zu beruhigen und setzte sich wieder schwerfällig in Bewegung. Tenan konnte die schweren Stiefel mit den Eisenkrampen sehen, als er nahe an seinem Versteck durchs Unterholz stapfte. Noch lange war er zu hören, wie er durch den Wald lärmte.
    Tenan verharrte in seinem Versteck, bis er ganz sicher war, dass der Gredow verschwunden war und kein

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