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Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Das Siegel der Finsternis - Algarad 1

Titel: Das Siegel der Finsternis - Algarad 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
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zweiter auftauchte. Dann kroch er mühsam zwischen den Ästen und Zwei gen hervor. Seine Beine wollten ihn kaum tragen. Aber er wusste, dass er keine Zeit verlieren durfte. Entweder sie beobachteten ihn aus dem Hinterhalt, oder sie hatten sich davongemacht,was ihm die Flucht erleichtern würde. Wie auch immer, er musste versuchen, so schnell wie möglich aus dem Wald zu entkommen!
    Er stolperte durch das Unterholz und zurück auf den Hauptweg, der gespenstisch im Dämmerlicht vor ihm lag. Es war ihm gleichgültig, ob er auf dem Pfad gesehen werden konnte. Er wollte nur schnellstens die schützenden Mauern des Hafens von Dorlin erreichen.
    Obwohl er aus Leibeskräften rannte, wollte der Weg kein Ende nehmen. Bedrohlich zogen zu beiden Seiten die dunklen Baumstämme wie stumme Wächter an ihm vorbei. Es kam ihm so vor, als wollten sie ihn aus ihrem Reich hinaustreiben, in das er sich unerlaubt Zutritt verschafft hatte.
    Endlich, nach einer Ewigkeit, wie ihm schien, leuchtete der westliche Ausgang des Waldes in den goldenen Farben des Sonnenuntergangs vor ihm. Nur hinaus aus dem Wald, der ihn zu ersticken drohte, ihm den Atem nahm!
    Das Licht der sinkenden Sonne blendete ihn, als er aus dem Schatten der Bäume trat. Ein angenehm warmer Wind wehte ihm vom Meer entgegen. Tenan hielt an und stützte schwer atmend die Arme auf die Knie. Seine Lungen brannten. Er blickte zurück, um zu sehen, ob Urisk auftauchte. Doch in der Schwärze des Waldwegs, der hinter ihm lag, war nichts zu erkennen. Tenan hoffte von ganzem Herzen, dass dem Fairin nichts passiert und er den Gredows entkommen war. Einen kurzen Augenblick schämte er sich dafür, dass er so schlecht über ihn gedacht und ihn als Feigling angesehen hatte. Aber er konnte nicht auf den Fairin warten. Er wandte sich ab und ging alleine weiter. Das Rot der untergehenden Sonne beleuchtete seinen Weg unheilvoll.

18
    Noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichte Tenan die Kreuzung der breiten Handelsstraße, die nach Dorlin führte. Sie war die Hauptverkehrsader, die Gonduns Westen mit dem Osten verband. Eine kleine Gruppe verspäteter Reisender bewegte sich langsam vorwärts. Es waren Bauern und Händler, die am nächsten Morgen den Markt besuchen wollten. Viele von ihnen trugen ihre Waren in Körben auf dem Rücken oder schoben sie in Karren ratternd über das holprige Pflaster der Straße. Manche führten Pferde oder Esel als Lasttiere mit sich.
    Unauffällig mischte sich Tenan unter sie. Er hatte sich in den weiten Mantel gehüllt, den Osyn ihm mitgegeben hatte und der ihn als fahrenden Händler ausweisen sollte. Sein Gesicht verbarg er unter der Kapuze. In der Anwesenheit der Menschen fühlte er sich sofort sicherer. Er war froh, nicht mehr allein zu sein, und genoss die Anonymität der Gruppe. Wenn er angesprochen wurde, führte er ein belangloses Gespräch mit diesem oder jenem, schimpfte über das Wetter und den verheerenden Sturm, klagte über die schlechte Ernte oder erkundigte sich nach Neuigkeiten aus den Dörfern ringsum. Bei einem dieser Gespräche wurde Tenan hellhörig. Ein derber, vierschrötiger Waldmann berichtete, dass man aus Eisgarth, einer kleinen Stadt östlich des Muren-Flusses, seit drei Tagen nichts mehr gehört hatte. Auch vermisste man vier Händler, die dorthin geritten waren.
    »Wahrscheinlich sind sie beim Weinfest hängengeblieben«, witzelte einer der Händler. »Man sagt, der Wein an den Hängen im Osten lässt die Zeit stillstehen für den, der ihn trinkt.«
    »Dann will ich hoffen, dass der neue Jahrgang besser ist alsder davor«, krächzte ein zahnloser Alter. »Das Zeug ist ungenießbar! Ich habe mir gewünscht, dass die Zeit schneller vergeht, nachdem ich ihn probiert hatte!«
    Alle lachten, nur Tenan schwieg. Er wusste die Anzeichen nur zu gut zu deuten, nach all dem, was Osyn über die Kriegsführung der Gredows erzählt hatte. Sie hatten Eisgarth umzingelt. Und die Menschen neben ihm ahnten nichts von dem Schicksal, das auch sie erwartete, wenn sie zurückkehren wollten! Mit Sicherheit war das eine oder andere ihrer Heimatdörfer bereits dem Erdboden gleichgemacht worden, und überall auf der Insel lauerten Truppen, die als Besetzung zurückgelassen worden waren. Keiner dieser Menschen würde je wieder zu Hause ankommen. Gewissensbisse plagten Tenan. Sollte er sie warnen? Würden sie ihm glauben, wenn er das tat? Könnte er die Insel dann noch unbemerkt verlassen? Nein, er musste darauf vertrauen, dass Osyn in der Zwischenzeit in den

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