Das Siegel der Finsternis - Algarad 1
Zeit kosten. Ich weiß nicht einmal, wo die nächste Straße liegt, die zur Handelsroute führt. Nein, wir laufen weiter. Es kann nicht mehr lange dauern.«
»Und kein großer Zauberer, der uns schützen kann«, jammerte Urisk.
Tenan lachte bitter. »Osyn ist leider nicht so mächtig, dass er Gredows oder Schattenwesen vertreiben könnte. Ich fürchte, er ist nicht einmal in der Lage, sich selbst vor ihnen zu retten.« Düstere Gedanken erfassten ihn, sobald er daran dachte, dass sein Meister schutzlos in Esgalin geblieben war.
»Augen starren einen an«, wisperte Urisk, und sein Blick huschte hin und her. »Garstige, böse Augen. Vielleicht Geister. Sind nicht viele, aber sie sind da! Der Weg ist sehr gefährlich. Glaubt einem, lieber Herr!« Flehentlich sah er Tenan an.
Der schnaubte nur und fragte sich, wie der Fairin bisher allein im Wald überlebt hatte, so ängstlich, wie er sich zeigte. »Ich habe es dir schon gestern gesagt: Wenn uns wirklich jemand entdeckt hat, brauchen wir uns nicht mehr zu verstecken. Wenn wir den Weg verlassen, kommen wir zu langsam voran, das Dickicht ist zu unwegsam.«
Urisk sah unglücklich drein. Das Knacken eines Zweiges ließ Tenan und seinen Begleiter zusammenfahren. »Man muss die Umgebung absuchen«, flüsterte Urisk und versuchte, ein tapferes Gesicht zu machen, was ihm gründlich misslang. Dennoch erklärte er schlotternd: »Urisk wird mutig sein. Man wird gehen und die Geister erspähen. Leise wird man wandeln und unsichtbar wie der Wind sein. Wenn man sie aufgespürt hat, wird man sie mit Lärm und Getöse vertreiben – husch! Fort von hier! Ja, das wird man tun. Schließlich muss der junge Herr geschützt werden, so sagte es der große Zauberer. Kein Leid darf ihm passieren, hat er gesagt. Verantwortung soll Urisk übernehmen.«
»Wenn es wirklich Geister sind, werden sie uns in Ruhe lassen«, lachte Tenan.
Urisk bekräftigte sein Vorhaben. »Oh nein, vertreiben muss man sie! Man wird die Umgebung absuchen und herausfinden, was es ist, das im Gebüsch lauert.« Er zupfte nervös an seinem struppigen Fell. »Man braucht nur eine kurze Zeit ...«
Wieder knackte ein Zweig, näher diesmal. Ein Vogel – vermutlich ein Rabe – flatterte erschreckt von einem Ast auf und schoss auf die beiden Wanderer herab. Seine Schwingen streiftenleicht ihre Köpfe, und Tenan konnte den kräftigen Luftzug der Flügelschläge spüren. Dann flog der Vogel laut krächzend zwischen den Baumstämmen davon.
Das war zu viel für Urisk. Mit einem Satz war der Fairin im Unterholz. Bevor Tenan ihn aufhalten konnte, war er verschwunden. Den Geräuschen nach zu urteilen, bewegte er sich alles andere als leise. Äste und Zweige brachen, Laub raschelte, während er sich hastig seinen Weg durchs Dickicht bahnte. Es kam Tenan wie eine überstürzte Flucht vor.
Er schüttelte missmutig den Kopf und setzte seinen Weg fort. Wahrscheinlich hätte er sowieso keine Hilfe von der Kreatur erwarten können. Ein paarmal blickte er zurück, ob Urisk wiederauftauchte, doch nichts war zu sehen. Nun, der Fairin würde ihn schon wiederfinden, denn schließlich hatte Tenan nicht vor, die Straße zu verlassen.
Sie erstreckte sich grau und düster vor ihm. Je länger er lief, desto mehr ärgerte er sich über seinen Begleiter. Ziemlich sicher hatte der Waldgeist die Gelegenheit genutzt, um zu verschwinden. Ich hätte es gleich wissen müssen, und Osyn auch, schimpfte er vor sich hin. Urisk ist unzuverlässig und ein Feigling! Kein Zweifel: Er hatte sich aus dem Staub gemacht, weil er ein Hasenfuß war, ein unzuverlässiger Herumtreiber, der nur seinen eigenen Vorteil und einen vollen Bauch im Sinn hatte und der beim ersten Anzeichen von Gefahr das Weite suchte.
Tenans Wut beschleunigte seine Schritte. Er wollte den unheimlichen Wald schnell hinter sich bringen. Doch der schien kein Ende zu nehmen. Tenan lief und lief. Es war totenstill geworden, als lausche der Wald gespannt auf etwas. Tenan musste sich nun doch eingestehen, dass er die Gegenwart Urisks auch als tröstlich empfunden hatte. Er ertappte sich dabei, wie er öfter über die Schulter blickte, in der Hoffnung, den Fairinwiederauftauchen zu sehen. Ihm kamen langsam selber Zweifel. Was, wenn der Waldgeist doch recht gehabt hatte und sie tatsächlich verfolgt oder beobachtet wurden? Ob ihm etwas zugestoßen war? War er gefangen oder gar getötet worden?
Diese Gedanken verstärkten Tenans Unbehagen. Wie zur Bestätigung seiner wachsenden Furcht vernahm er
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