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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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solches zu lesen«, sagte Alexius offenherzig. »Habt Ihr übrigens davon gehört, dass der frühere Erzbischof von Ravenna einen Priester als Ketzer verurteilte, weil dieser die Dichter über alles Christliche stellte?«
    Als er den Namen der italienischen Metropole hörte, setzte Odilo zu einer Erwiderung an, ließ es aber bleiben. Unvermittelt stand er auf. »Ich ziehe mich zurück. Gute Nacht, junger Freund. Und haltet Euch von meinen Klosterbrüdern fern.« Die Sandalen des Großabtes verklangen im Gang.
    »Puh, habt Ihr Glück gehabt.« Andreas schnappte nach Luft und stieß sie geräuschvoll wieder aus. »Ich hätte nicht erwartet, dass ausgerechnet Vater Odilo derart gefährliche Argumente anschneiden würde.«
    »Auch die frommen Kirchenväter lockt das Verbotene«, lachte Alexius.
    »Sicher trifft das auf Euren Freund Gerbert zu.« Der Prior erhob sich und begleitete Alexius zur Tür.
    »Wartet.« Vorsichtig schloss der Missus die Pforte wieder. »Erinnert Ihr Euch an unser letztes Gespräch, damals als …«
    »Ihr habt Vater Odilo vom Gift erzählt?«, unterbrach Andreas ihn erschrocken.
    »Nein, da könnt Ihr ganz ruhig sein. Mich interessiert etwas anderes. Ihr habt damals in Eurem Buch nachgelesen, dass im November vor drei Jahren verschiedene Gäste mit italienischem Gefolge in Peterlingen waren.«
    »Ja, das Schriftstück ist zufällig hier auf dem Gestell. Gerade heute habe ich die gegenwärtigen Besucher eingetragen.« Andreas zog eine Pergamentrolle heraus.
    »Außer Paulus von Pavia und Bruder Benedikt aus Farfa waren ein Graf aus Niederburgund und der Botschafter eines deutschen Feudalherrn da«, erinnerte Alexius.
    Der Senior rückte einen Schemel heran und setzte sich. Sorgfältig beugte er sich über seine Schriftrolle, heftete die Augen so nahe auf die Buchstaben, dass er sie fast mit der Nase berührte. »Hier. Was wollt Ihr über den Grafen aus Niederburgund wissen?«
    »Nichts. Wer war der Botschafter des deutschen Feudalherrn?«
    »Wie der Delegierte persönlich hieß, weiß ich nicht.«
    »Und sein deutscher Herr?«
    »Es war der Herzog von Kärnten.«
    Alexius verabschiedete sich hastig. Jetzt ist alles klar, schoss es ihm durch den Kopf. Der deutsche Herzog war auch Markgraf von Verona. Er hielt über weite Teile im nördlichen Italien Gericht. Außerdem war er oft als Botschafter der Kaiserin Theofanu nach Rom gereist. Das erklärte das italienische Gefolge.
    Die Wucht der ganzen Wahrheit traf Alexius wie ein Schock, als er fast eingeschlafen war. Ein Gesandter des Herzogs von Kärnten der dritte Gesprächspartner auf der Reichenau! Hatte er Bruder Maxim und später Carolus ermorden lassen und auch ihn, Alexius, bedroht? Aber aus welchem Grund?
    Herzog Otto von Kärnten ist als Enkel Kaiser Ottos des Großen und als Vetter des jetzigen Herrschers einer der mächtigsten Männer des Reiches, dachte Alexius. Sein Einfluss auf den Kaiser und die anderen Herzöge gilt als fast unbegrenzt. Wenn in seinem Namen Morde begangen werden, so kann nur eine Verschwörung mit unermesslichen Folgen dahinter stecken. Der Missus dachte an seine erste Begegnung mit Otto von Kärnten in der Pfalz von Aachen …
    Als er in die stechenden Augen des Herzogs blickte, glaubte Alexius plötzlich alle Geschichten, die man sich über diesen erzählte. Der frühere Graf hatte einst, so hieß es, innerhalb der Stadt Worms eine Befestigungsanlage mit Türmen bauen lassen, wo Räuber und Diebe Zuflucht fanden, die sich gegen den Bischof vergangen hatten.
    Der Kaiserbote verscheuchte den Schlaf und zwang sich, klar zu überlegen. Was hatte ein deutscher Herzog mit heiligen Gesprächen über Bischöfe und Äbte zu schaffen? Alexius suchte fieberhaft nach Zusammenhängen und fand keine. Plötzlich kam ihm eine Idee, die ihm Angst machte: Könnte der Herzog von Kärnten als Bischofsfeind ein Freund der Äbte sein? Hat er zusammen mit Witigowo und Abbo von Fleury eine Verschwörung ausgeheckt, die auch Morde nicht ausschließt? Alexius fand keine Antwort auf all seine Fragen.
    Aber nein, versuchte er schließlich sich selbst zu beruhigen, ich bin auf der falschen Fährte. Das Gespräch der Äbte mit dem Gesandten war völlig harmlos! Vermutlich haben die Gefolgsleute des Herzogs nur unter sich Verbotenes besprochen und sind belauscht worden. Oder es hat auf der Reichenau noch ein ganz anderes geheimes Gespräch stattgefunden.

26
    Am liebsten hätte Alexius die Reise nach Cluny vergessen. Wenn ein sächsisches

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