Das Siegel der Macht
nach Pavia geschickt.
Manchmal, selten, lud ein gastgebender Abt zusammen mit Odilo auch den Missus des Kaisers an seinen Tisch. Alexius sagte immer zu, meist war es Odilo, der ablehnte. Dieser bewohnte in Cluny aus eigenem Willen kein Abthaus, sondern schlief im Saal der Mönche und aß mit ihnen im Refektorium. An diesem Prinzip wollte er auch auf Reisen nicht rütteln.
Es gelang Alexius nicht, sich der Ausstrahlung von Odilos Persönlichkeit zu entziehen. Die ehrlichen, manchmal leuchtenden Augen des Großabtes bestätigten seine Güte. Das hatte der Missus schon als Horcher im Kloster von Farfa begriffen. Was immer der Vorsteher von Cluny für Pläne schmiedete, er war nicht sein Feind.
Alexius entdeckte auf dieser Reise noch etwas anderes. Mönche außerhalb ihrer Klostermauern waren unverbesserliche Plaudertaschen. Selbst wenn der Abt dabei war, galt das übliche Schweigegebot auf Reisen nicht. Davon wollten sie so oft als möglich profitieren.
»Ich habe im Süden viele Benediktiner gesehen, die nur eine enge Kukulle tragen«, erlauschte Alexius während einer Mittagspause das keineswegs fromme Gespräch einiger Mönche. Sie saßen etwas abseits auf einer Wiese südlich der Passhöhe des Mons Langobardorum an der alten Frankenstraße. Jeder hatte einen Weinbecher in der Hand. Man teilte sich einen Teller mit Brot und Käsestücken.
»Widerlich!«, stimmte ein anderer Klosterbruder zu. »Bei uns in Gallien und auch in allen strengen Klöstern der Lombardei hat sich längst die weite Kukulle durchgesetzt.«
Alexius hatte es an jenem Abend in Farfa gesehen. Wie alle Reformmönche trug auch Benedikt eine weite Kukulle über der engen. Deshalb hatte er das schwarze Kleid für den jungen Missus sofort zur Hand.
»Ich habe gehört, dass in einem spanischen Kloster eng geschnittene Röcke mit flatternden Ärmeln geschneidert werden«, verblüffte ein dritter Plaudergenosse seine Mitbrüder. »Aus teurem Stoff. Die Mönche sollen aufgeputzten Straßenmädchen gleichen.«
»Ja, manche tragen sogar glänzende Schnabelschuhe.« Die Klosterbrüder kicherten, einer schaute in Alexius’ Richtung. Rasch ging dieser weiter und vertiefte sich in die einzigartige Aussicht. Mit Bäumen bewachsene Hügel, gelegentlich eine Burg und in der Ferne die Ebene mit dem endlosen Meer.
Als der Reisezug in Pavia Halt machte, drängte der Abt von Cluny zur Weiterreise am nächsten Tag. Er wollte möglichst bald über die Alpen reiten, wichtige Geschäfte erwarteten ihn in Peterlingen. Alexius hatte keine Zeit, Elana in jenem Kloster aufzusuchen, wo sie immer noch auf die Rückkehr des kaiserlichen Hofes wartete. Er ließ ihr zwar durch Gerold eine Botschaft bringen, fühlte sich aber seltsam leer und enttäuscht, als er Pavia hinter sich hatte. Der sächsische Hüne kehrte nicht zurück. Er hatte plötzlich einen Fieberanfall bekommen und musste sich im Krankenhaus des Klosters von Sankt Martin bei Pavia kurieren lassen. An seiner Stelle schickte Elana dem Missus einen ihrer Panzerreiter nach. Alexius war froh über den Wechsel. In der unsicheren Gegend von Pavia war Elana in Gerolds Nähe am besten aufgehoben.
Ausgerechnet in Peterlingen ließ sich Odilo vom Klosterprior Andreas zu einem gemeinsamen Mahl mit dem Kaiserboten überreden. Alexius fühlte sich an jenem Nachmittag unruhig. Es war ihm noch nicht gelungen, unter vier Augen mit Andreas zu sprechen. Zudem beschäftigte ihn etwas anderes. Seit zwei Tagen steckten Odilo und Andreas in den Pausen zwischen den Stundengebeten ununterbrochen zusammen. Sicher sprechen sie wieder vom steinernen Mal, dachte Alexius. Nein, beruhigte er sich, das sind Hirngespinste! Der Großabt wird dem Vorsteher seines Klosters einfach Anweisungen erteilen. Aber die Spannung blieb.
Nach der Vesper zog Alexius sich sorgfältig um. Er wählte einfache helle Beinkleider und dazu eine blaue Tunika. Sie war dezent bestickt, der Stoff allerdings sollte die vornehme Herkunft des Trägers unterstreichen. Nach langem Überlegen griff er zu seinem schönsten Halsschmuck, dem Torquis seines Freundes Carolus. Nach dem Tod des Höflings hatte Otto spontan beschlossen, dessen Juwelen unter seine besten Freunde zu verteilen. Alexius bekam den Halsschmuck, Hodo eine kostbare Agraffe. Der Torquis wird mich heute Abend an meine Verpflichtungen erinnern, sinnierte Alexius, als er vor dem Essen zwischen dem Gästehaus und dem Hospital spazierte.
Es war noch früh. Kurz entschlossen bot der junge Grieche einige
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