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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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verschlungen waren:
    Erschrocken ging Gerbert einige Schritte zurück. Er stieß mit den Beinen gegen das Bett und ließ sich niederfallen. »Alexius«, flüsterte er. »Dieses Zeichen ist uralt und gefährlich.   steht für Melchisedek!«
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Alexius alarmiert. Er hatte Gerbert seit dessen Krankheit in Reims nie mehr so beunruhigt gesehen.
    »Melchisedek war der Priester-König gemäß dem Hebräerbrief, weltlicher und sakraler Herrscher in einer Person.«
    »Und?«
    »Wenn dieses Zeichen heute benutzt wird, so nur aus einem einzigen Grund. Der Vorsteher von Cluny will mehr als Großabt werden. König Odilo, Herrscher der Äbte! Über seine Klöster könnte er auch weltliche Macht ausüben wollen.«
    Der Missus gab keine Antwort.
    »Verstehst du nicht?« Gerberts Stimme zitterte. »Mönche gibt es überall wie Sand am Meer, sie schulden ihren Äbten Gehorsam. Wenn alle Äbte einem Melchisedek bedingungslos folgen würden, könnte Odilo fast grenzenlose Macht erreichen. Ein solcher Anführer der Äbte könnte Päpste, Könige und Kaiser nicht nur beeinflussen, sondern sogar ernennen und absetzen. Ein Melchisedek in Cluny, Alexius, würde den Frieden der Völker in Gefahr bringen.«
    In Gedanken versunken, starrte Gerbert auf den Lichtschein der Kerze. Plötzlich stand er auf und schob den jungen Freund zur Tür. »Geh jetzt, geh! Ich muss nachdenken. Eines ist jedenfalls sicher. Mit den Vermutungen über den Herzog von Kärnten waren wir auf dem Holzweg. Ich spüre es förmlich, Alexius. Deine Mordgeschichten hängen irgendwie mit diesem Zeichen zusammen. Mit dem steinernen Mal und den Reformäbten. Wenn nicht Odilo dahinter steckt, so sicher Abbo von Fleury.« Als Alexius bereits auf dem Gang stand, holte Gerbert ihn nochmals ein. »Bist du bereit, das Rätsel um jeden Preis zu lösen?«
    »Wenn ich damit mein Versprechen an Carolus erfüllen kann, ja.«
    »Dann halte dich bereit, nochmals nach Cluny zu reiten. Vielleicht auch nach Fleury.«
    An der Synode im Kloster von Sankt Peter in Pavia wurden Entscheide von bleibender Tragweite gefällt. Das Capitulare Ticinense legte gesetzlich fest, dass Pachtverträge nur für die Lebensdauer des vertragsschließenden Abtes oder Bischofs Gültigkeit hatten. Dem Nonnenkloster des heiligen Martin bestätigte Kaiser Otto den gesamten von Boso geraubten Besitz.
    Gerbert war stolz auf die Verlesung des Gesetzes, an dem er selbst mitgearbeitet hatte. Gleichzeitig freute er sich auf den ungewöhnlichen Schlussakt. Der Kaiser und die Großen des Reiches zogen zusammen mit Bischöfen und Juristen zur Grabstätte des Boethius.
    Bewegt stand Alexius zuvorderst, beobachtete, wie der Kaiser eine Inschrift anbrachte. Ein Gedicht von Gerbert, verfasst zu Ehren des römischen Schriftstellers, der fast fünfhundert Jahre früher in Pavia in der Verbannung hatte leben müssen.
    »Wenn die Goten ihn nicht wegen Hochverrates zum Tod verurteilt hätten, wüssten wir jetzt mehr über die Philosophie der Griechen«, sagte eine Frauenstimme neben Alexius.
    Er drehte sich um. Elana! Der junge Grieche fühlte Wärme in sich aufsteigen.
    Die Sächsin hatte das Klosterkleid abgelegt, trug wieder ihre Lieblingstunika, genäht aus den kaiserlichen Stoffen aus Byzanz. Das Haar hochgesteckt wie am ersten Abend in der Fallsteinburg. Ihr feines Gesicht mit den weit auseinander stehenden braunen Augen wirkte verletzlich zart, aber weniger kindlich als damals in Sachsen.
    Alexius nahm ihren Arm und führte sie aus der Menschenmenge. »Habt Ihr Euch mit Boethius befasst?«, fragte er und lächelte.
    »Erst seit kurzem. Der Kaiser hat mir ein Buch von Boethius geliehen. Ich bin dabei, es für die Fallsteinburg zu kopieren.«
    »De consolatione philosophiae«, sinnierte Alexius. »Kann die Philosophie wirklich trösten, Elana?«
    Sie sah ihm gerade in die Augen. Er wich aus, richtete den Blick in die Ferne.
    »Dieselbe Traurigkeit habe ich in Euren Briefen gelesen zwischen den Zeilen.« Elana sprach leise, unsicher. Als Alexius keine Antwort gab, wurde sie von einer plötzlichen Unruhe erfasst. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Vorsichtig fügte sie bei: »Vielleicht möchtet Ihr lieber nicht darüber sprechen.«
    »Die Zeit wird mir helfen, die Zeit und die gute Gesellschaft.« Alexius zwang sich zu einem Lächeln.
    »Damals in Rom …«, begann Elana, um ihre Verlegenheit zu überbrücken. »Ich wollte Euch nach der Flucht aus der Engelsburg suchen, aber Ihr wart wie vom

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