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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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Erdboden verschluckt.«
    »Denkt jetzt nicht mehr daran«, beruhigte Alexius sie. »Gute Menschen brachten mich in Sicherheit, Ihr konntet mich gar nicht finden.«
    Sie schwiegen, spazierten ein Stück weiter. Plötzlich fragte der Missus: »Was sagt Ihr zum neuen Gesetz über die Hörigen?«
    Elanas Reaktion fegte seine Melancholie weg wie ein Sturmwind. »Ich verstehe den Kaiser und vor allem Gerbert nicht«, ereiferte sich die junge Frau. »Natürlich muss das Gesetz etwas gegen die flüchtenden Hörigen unternehmen. Aber der Zweikampf ist eine ungeeignete Methode.«
    »Die meisten Besitzstreitigkeiten werden so geregelt.«
    »Zwischen Gleichgestellten mag das gehen. Aber nicht wenn ein Dienstherr einen freien armen Teufel in die Leibeigenschaft zwingen will. Der Krieger des Dienstherrn siegt im Zweikampf immer, weil er bessere Übung hat als ein Bauer.«
    »Ihr reist nach Ravenna und Rom, um zu beten, und habt kein Vertrauen ins Gottesurteil?«, fragte Alexius ironisch.
    »Ich hasse die Ungerechtigkeit. Am schlimmsten finde ich, dass laut diesem neuen Gesetz der Synode alle kirchlichen Hörigen, die auf irgendeine Weise die Freiheit erlangt haben, wieder in ihre frühere Bindung zurückkehren müssen. Als Leibeigene auf Lebenszeit.«
    »Lasst Ihr Eure servi etwa frei?«
    »Manche.« Elana lachte. »Bei mir leben die Hörigen allerdings genauso gut wie die Freien.«
    Alexius beobachtete sie aufmerksam. Beim Disputieren verwandelten sich ihre Gesichtszüge. Die Augen begannen zu leuchten, ihre Mimik gab Elana eine Ausstrahlung, die Alexius faszinierte.
    »Morgen reise ich nach Cluny«, sagte er unvermittelt. »Sobald ich kann, werde ich den Hof wieder einholen. Fährt der Kaiser mit dem Schiff nach Ravenna?«
    »Bis Cremona sicher. Ich gehe jedenfalls bis Ravenna weiter. Den frommen Romuald möchte ich nicht verpassen.« Elana schob die Hand in einen Beutel und zog ein kleines Fläschchen heraus. »Hier, nehmt.« Als er sie verblüfft musterte, fuhr sie fort: »Im letzten Winter in Sachsen war ich sehr krank. Eine Alte heilte mich mit dem Waschwasser Romualds. In genau vierzehn Tagen.«
    »Und was soll ich damit?«
    »Wenn Ihr krank oder verletzt seid, wird die Flüssigkeit Euch helfen.«
    Alexius schüttelte den Kopf. Nur keine Glücksbringer, nur keine Hilfe der Heiligen. Lucilla war mit der Reliquie des Märtyrers Adalbert aus der Engelsburg in die Tiefe gestürzt. »Tut mir Leid«, flüsterte er heiser. »Aber ich will Euer heiliges Wasser nicht.« Als er Elanas verletzten Gesichtsausdruck sah, zwang er sich zu einem Lächeln. »Lasst lieber ein Bild von Euch malen. So klein, dass ich es in der Tasche tragen kann.«
    »Von heute auf morgen?«
    »Ihr könnt mir das Bild geben, wenn ich an den Hof zurückkehre. Inzwischen …« Alexius schob Elana eine widerspenstige Haarlocke aus den Augen. Wie ein Windhauch streifte seine Hand ihre Wange. »Inzwischen werden Eure Gedanken mich schützen – wenn Ihr neben den Schreibarbeiten Zeit dazu findet.«

28
    Fast geräuschlos glitten die Schiffe auf der Loire westwärts. Die Reise in die Diözese von Orléans verlief ohne Zwischenfälle. Ende Oktober des Jahres 998 reihte sich ein strahlender Tag an den andern, nur einmal regnete es. Alexius belegte mit seinen wichtigsten Gefolgsmännern bequeme Sitzbänke. Im zweiten Kahn folgten die Panzerreiter und die Pferde.
    Der Missus des Kaisers war zum ersten Mal dankbar für die Erbschaft, die sein griechischer Großonkel Rotbertus ihm im Frühling hinterlassen hatte. Normalerweise musste ein Graf gut rechnen, wenn er aus seinen Lehensgütern genügend Mittel für einen vornehmen Haushalt und die Ausrüstung bewaffneter Krieger heraus wirtschaften wollte. Für Alexius war die Grafschaft Olseck mit den zugehörigen Ländereien nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Sein neuer Reichtum kam aus Byzanz.
    Befriedigt ließ der junge Grieche den Blick über sein Gefolge gleiten. Gerold war wieder bei ihm. Außerdem geübte, neu ausgerüstete Panzerreiter, die ihm treu ergeben waren. Ihre Stärke beruhigte ihn. Er schaute dem fließenden Wasser zu, genoss die rasch vorübergleitende Landschaft. Jeden Nachmittag griff er in seine Tasche und zog ein Buch heraus. In der Mitte des Schiffes fühlte er sich am wohlsten und musste den Pergamentband nicht dauernd vor Wasserspritzern schützen.
    Im letzten Moment vor der Abreise hatte Elana ihm das Buch geliehen. ›Über den Trost der Philosophie‹ von Boethius war genau die richtige

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