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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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spähte sie aus der Fensteröffnung.
    Plötzlich bewegte sich der Waldrand. Aufgeregt zwängte die junge Frau ihren Oberkörper in die Luke, um ihren Blickwinkel zu erweitern. Nun waren die Reiter deutlich zu sehen. Das kaiserliche Heer war im Anzug. Elana frohlockte. Die Panzerreiter näherten sich dem Klosterportal, sie konnte Gerolds hünenhafte Gestalt erkennen. Neben ihm ein Ritter mit dunklem Haar. Alexius! Ihr Herz klopfte stärker als im Augenblick der Gefahr.
    Von ihrem Ausguck aus konnte Elana keine Krieger Bosos mehr sehen. Sie ging auf die andere Seite des Turmes und spähte aus einer Luke. Als ihre Augen die hintere Klostermauer im Blickfeld hatten, entdeckte sie ihre Feinde. Gerade stahl Boso von Nebiano sich mit seinen Leuten aus der hinteren kleinen Pforte davon. Wie vom Teufel gehetzt, galoppierten die Reiter dem Waldrand zu.
    Gespannt beugte Elana sich über die Treppe. Keine Stiefelgeräusche, es war niemand mehr da. Im Flug nahm sie die Stufen und lief aus dem Turm. Vor dem Hauptgebäude sah sie Alexius und Gerold mit der aufgeregten Äbtissin sprechen.
    Der Missus war am Vorabend aus Cluny zurückgekehrt. Kaum hatte er das Tor der Pfalz von Pavia erreicht, preschte Gerold herbei und schrie für das Kloster Sankt Martin um Hilfe. Da sich Elana dort aufhielt, vergaß Alexius seine Müdigkeit. Unverzüglich alarmierte er den Herrscher. Eine Stunde später galoppierte er mit einer Abteilung des kaiserlichen Heeres zum Frauenkloster.
    Unschlüssig blieb Elana stehen. Plötzlich hatte sie keine Eile mehr und wollte den glücklichen Moment auskosten. Sie sah mit Erleichterung, dass der junge Grieche unverletzt war. Als er den Kopf drehte und in ihre Richtung schaute, begann ihr Herz wild zu klopfen.
    Alexius ließ die Äbtissin stehen und lief Elana entgegen. Sie flog ihm in die Arme. »Ihr habt mich gerettet!« Glücklich drückte sie ihr Gesicht an seine Brust.
    Der Kaiserbote strahlte, zog ihr einige Strohhalme aus dem aufgelösten blonden Haar. »Nun sind wir quitt«, lachte er.
    »Nein, Ihr habt mich zweimal gerettet.«
    »Wollt Ihr etwa die Olseck in Sachsen oder dieses Kloster mit der Engelsburg vergleichen?«
    »Ihr habt mich jetzt gerettet«, sagte Elana leise und wischte sich die Freudentränen ab. »Das zählt mehr als die Vergangenheit.« Zärtlich nahm sie Alexius’ Gesicht zwischen ihre Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.
    Am Abend nach Elanas Befreiung wurde in der Pfalz von Pavia an Gerberts Tür geklopft. Der Erzbischof von Ravenna hatte die Neubauten der Adalbertkirche und der Kaiserpfalz in Rom den Baumeistern überlassen und war im Gefolge Ottos nach Pavia gereist. Nach dem Aufenthalt in der Lombardei wollte der Hof den Po hinunterfahren. Gerbert konnte es nicht erwarten, von seinem Erzbistum Besitz zu nehmen. Gerade schrieb er an einem wissenschaftlichen Traktat über die Geschichte seiner neuen Metropole Ravenna.
    Der Gelehrte legte die Feder weg und streute Sand auf das Pergamentstück. Als er die Tür öffnete, trat Alexius ungeduldig ein.
    »Wir müssen reden, es ist wichtig.« Der Missus lächelte seinem väterlichen Freund zu. »Seid unbesorgt. Es ist uns gelungen, Elana zu befreien. Boso von Nebiano und seine Kumpane sind nach Norden geflüchtet.«
    »Hast du die Burgherrin in die Pfalz mitgebracht?«
    »Ja, als Gast des Kaisers. Nun lasst mich erzählen! Ich kann das nicht bis morgen für mich behalten.« Alexius setzte sich und sprudelte die Neuigkeit hinaus: »Ihr werdet kaum glauben, was ich in Peterlingen herausgefunden habe: Der dritte Gesprächspartner auf der Reichenau war ein Botschafter des Herzogs von Kärnten!« Alexius fühlte, wie Gerberts Verstand arbeitete, und schwieg.
    Plötzlich sagte der Gelehrte: »Vor drei Jahren war Otto noch kein gekrönter Kaiser. Ob sein Vetter, der Herzog von Kärnten, damals eine Verschwörung anzettelte?«
    »Zu wessen Gunsten?«
    »Für sich selbst. Erinnerst du dich, dass Heinrich der Zänker dem kleinen König die Macht entreißen wollte? Vielleicht hatte der Herzog von Kärnten einige Jahre später dasselbe im Sinn. Immerhin ist auch er ein Enkel Ottos des Großen.«
    Alexius unterbrach Gerberts Überlegungen. Er berichtete von den Wanderpriestern, vom in Farfa erlauschten Gespräch und vom steinernen Mal in Cluny.
    »Zeichne es!«, befahl Gerbert. Seine sanfte Stimme hatte einen irritierten Unterton.
    Alexius ging zum Schreibpult und setzte sich. Mit der Feder malte er zwei Halbkreise, die ineinander

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