Das Siegel der Macht
bis der Erzbischof ausweichend sagte: »Ich habe keine Ahnung, wohin mein Weg mich führt. Halte mich jedenfalls über deine Entdeckungsarbeit auf dem Laufenden. Ich will dir helfen, das Rätsel zu lösen. Es ist aber besser, wenn du sonst niemanden einweihst. Was Carolus den Tod gebracht hat, könnte auch für dich gefährlich werden.«
Der Spaziergang hatte sie an der Peterskirche vorbei zur Engelsburg geführt. Gerbert und Alexius blieben vor den gewaltigen Mauern mit den Zinnen stehen. Schweigend betrachteten die Freunde das zylinderförmige Kastell, Symbol der dunklen Stärke der weltlichen Machthaber Roms.
Gerberts letzte Worte machten Alexius zu schaffen. Gedankenverloren wandte er seinen Blick dem Fluss zu, beobachtete das gleichmäßige Strömen des Tibers. Er kniete nieder, um dem Wasser näher zu sein. Das Rauschen beruhigte ihn. Unaufhaltsam ging der Fluss seinen Lauf, alles würde sich einrenken. Alexius spürte neue Kraft in sich aufsteigen. Irgendwie würde er es schaffen, irgendwie würde er sein Carolus gegebenes Versprechen einlösen können.
Der Missus richtete sich auf und ging zu Gerbert. Sanft legte er seine Hand auf den Arm des Erzbischofs. »Ich rede nur von meinen Sorgen, und Euch steht die entscheidende Synode bevor.« Alexius schämte sich plötzlich, dass er nicht schon vorher Interesse für Gerberts Probleme gezeigt hatte. Seine Augen waren mitfühlend auf den Freund gerichtet, er versuchte zu lächeln. Bei den nächsten Worten strahlte der junge Grieche wieder. »Der König … nein, der Kaiser ist mein Freund. Wir unterhalten uns oft über Byzanz. Manchmal hört er sogar auf mich.«
»Und?«
»Ich will ihn bitten, bei den Verhandlungen über Reims kein Wort zu verpassen.«
»Kann das etwas ändern?«
»Wenn Otto Euch disputieren hört, wird er seinen päpstlichen Vetter veranlassen, für Euch Partei zu ergreifen. Und nicht nur das. Der Kaiser liebt das Wissen. Er wird Euch als seinen größten Lehrer an den Hof rufen.«
»Du rennst der Wirklichkeit voraus, lieber Alexius. Aber was die Synode angeht, so habe ich mich gut vorbereitet. Der Kaiser hört bestimmt zu.«
»Er wird Euch das Erzbistum Reims von Papst Gregor bestätigen lassen.«
Die Worte tönten überzeugt und taten Gerbert wohl. Ohne auf Alexius’ Bemerkung einzugehen, sagte er: »Vor fünfzehn Jahren gab es einen Disput, der einen anderen Kaiser beeindruckte. Du warst zu klein, du kannst dich nicht daran erinnern.«
»Das Streitgespräch von Ravenna …«
»Man sieht, dass du gut gelernt hast, Alexius. Ein Nichtgeistlicher, der sich an die berühmten Dispute erinnert! Das kann nur ein Grieche sein.«
Die Freunde trennten sich. Alexius kehrte in sein Quartier zurück, streifte sich Alltagskleider über und holte sein Pferd. Er hatte Lust auf einen Ausritt und preschte über die Tiberbrücke durch das einstige Marsfeld. Als er den Bogen vor der Peterspforte passiert hatte, zügelte er seinen Fuchshengst und ging im Schritt. Der Missus wollte die Atmosphäre genießen.
Rom war die faszinierendste Stadt, die er kannte. Überall ragten Marmorbauten in den tiefblauen Himmel. Kletterpflanzen umrankten die Säulen und überdeckten Reliefs, die Geschichten von antiken Kaisern erzählten. Alexius sah, dass der Zirkus Flaminius kein vollständiges Oval mehr bildete. An der Westseite fehlte ein Mauerstück, daneben lagen Steinhaufen. Kräftige Männer waren dabei, die Blöcke auf Ochsenkarren zu laden. Bestimmt wollte ein Mächtiger sich damit einen Wehrturm bauen lassen. Zwischen den noch intakten Bögen des Zirkus hatten sich Händler und Handwerker installiert. Sie kümmerten sich nicht um die Kaiserkrönung, sondern gingen ihren Alltagsgeschäften nach.
Plötzlich drang ohrenbetäubender Lärm aus einer Schmiede und erschreckte den Fuchshengst. Alexius ritt schnell weiter und ließ den Zirkus und die prunkvollen alexandrinischen Thermen hinter sich.
Unter dem Säulenvorbau des Pantheons hatte sich ein wilder Marktplatz entwickelt. Einfache Tische genügten für die feilgebotenen Waren, denn Schutz gegen die Witterung bot den Händlern die grünlich schimmernde Kupferdecke. Alexius beobachtete vergnügt das Feilschen der Krämer, die neben den gigantischen Granitsäulen klein wie Puppen wirkten.
Der Prunkbau aus dem alten Rom schürte scheinbar ohne Zusammenhang seine Sehnsucht nach Byzanz. Irgendwie muss es Rom ähnlich sein, überlegte der Ritter. Als Konstantin der Große seine Reichshauptstadt im vierten
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