Das Siegel der Macht
Lebensgefahr. Meine Gefolgsleute haben ihn einmal vor Straßenräubern gerettet. Seither wird er verfolgt.«
»Wie willst du das wissen?«
»Ich habe ihn beobachten lassen. Er scheint mir so zart, so hilflos.«
Otto schüttelte den Kopf. »Wer würde schon einen Höfling aus dem Norden in Italien verfolgen?«
»Wahrscheinlich hat er sich hier in Rom Feinde zugelegt, die sich aus irgendeinem Grund rächen wollen.« Als Otto nichts entgegnete, fuhr Elana fort: »Jedenfalls wäre es sicherer für ihn, wenn er wieder nordwärts reiten würde.«
»Ich verstehe. Gut, das sollst du haben. Ich wollte ihn ohnehin mit Botschaften über die Alpen schicken. Das wäre seine erste Aufgabe als Kaiserbote. Möchtest du in seiner Begleitung nach Sachsen reisen?«
Die junge Frau errötete. Ihre sonst sanfte Stimme wurde abweisend: »Nein, keinesfalls. Er kennt mich nicht und soll mich nicht kennen. Außerdem reise ich schon morgen ab.« Plötzlich fühlte Elana, wie ihr Gesicht glühte. Verwirrt wandte sie sich ab und ging zum Fenster. »Mein Diener Gerold winkt«, sagte sie hastig, hauchte Otto einen schwesterlich flüchtigen Kuss auf die Wange und eilte aus dem Zimmer.
Der Kaiser blieb nachdenklich zurück. Das Schmunzeln über Elana begleitete ihn noch lange, doch wich es immer wieder den brennenden Sorgen. Ein Wechselspiel, das Otto fast auffraß. Als er es allein nicht mehr aushielt, ließ er seinen griechischen Boten rufen.
»Alexius. Ich muss mit dir reden, von Freund zu Freund«, überfiel der Herrscher den Missus. Er beobachtete den Herbeigerufenen aufmerksam, versuchte ihn mit Elanas Augen zu sehen. Der sinnliche Mund des Höflings war schön geschwungen. Alexius hatte treuherzige Augen, einen offenen Blick, der Gutmütigkeit ausstrahlte. Mit der leicht gebogenen Nase und den markanten Backenknochen wirkte er weniger jungenhaft als Otto selbst. Der Kaiser fühlte das Bedürfnis, sich dem fast Gleichaltrigen mitzuteilen.
»Wem kann ich noch trauen, Alexius? Die scheinbar treusten Freunde lassen mich im Stich. Handeln sie so, weil ich erst fünfzehn bin?«
»Ihr seid ein kluger Herrscher, trotz des Alters.«
»Und du ein treuer Freund, bald auch erstmals mein Kaiserbote. Alexius … ich lasse dich nicht gern vom Hof weggehen. Aber es muss sein. Ich habe Botschaften für meine Großmutter Adelheid in Selz und für meine Base Mathilde. Da du zu Äbtissin Mathilde nach Essen reist, kannst du auch gleich dieses Schreiben …«
Otto ging zu seinem Arbeitstisch, nahm ein fertig vorbereitetes Dokument auf. Plötzlich schlug seine Stimmung um. Nur mit Mühe gelang es ihm, einen Lachanfall zu unterdrücken. Er setzte eine ernsthafte Miene auf und wandte sich Alexius wieder zu.
»Diese Schenkungsurkunde ist für die Herrin der Fallsteinburg. Elana ist selbstmündig und verwaltet ihre ererbte Burg allein. Sie stellt mir sogar gut gerüstete Krieger. Ich möchte ihr einen Wald und ein Gut aus dem sächsischen Königsbesitz überschreiben. Vor allem will ich, dass du sie kennen lernst. Es interessiert mich, wie eine Frau allein derartige Besitztümer verwalten kann.«
»Die verstorbene Kaiserin Theofanu, Eure Mutter, hat ein ganzes Reich regiert. Was sind damit verglichen einige Ländereien in Sachsen? Interessiert Ihr Euch etwa für die Burgherrin persönlich?«
»Nein, Alexius.« Ottos Lachen klang fröhlich. »Meine Sehnsucht gilt nur Zoe. Das weiß niemand besser als du.«
Als der Freund keine Antwort gab, wechselte Otto wieder sprunghaft von einem Thema zum andern. »Ich kann einfach nicht vergessen, was heute passiert ist. Weshalb widersetzt sich Brun meinen kaiserlichen Wünschen?«
»Wer mehreren Herren gleichzeitig dienen sollte, hat es nicht leicht«, sagte Alexius vorsichtig.
»Ausgerechnet mein Vetter Brun! Schuldet er seinem Kaiser keine Dankbarkeit? Habe nicht ich ihn zum Papst gemacht?«
»Brun von Wormsgau gibt es nicht mehr. Jetzt heißt er Papst Gregor und vertritt die Interessen der Kirche.«
»Sogar die weltlichen, die Territorialinteressen der Kirche. Wenn du wüsstest, Alexius.« Otto versank in Gedanken. Unangenehm stieg die Erinnerung an das Gespräch mit seinem Verwandten auf, das am frühen Morgen stattgefunden hatte …
Otto saß vor Synodebeginn allein mit dem Papst in einem kleinen Raum zu Sankt Peter. Sein Vetter fixierte ihn mit harten Augen. Wo war der verständnisvolle Priester Brun geblieben? Selbst die Stimme Gregors hatte einen abweisenden Beiklang, als er seine Anklage erhob:
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