Das Siegel der Macht
absetzen und meinen Rivalen wieder zum Erzbischof von Reims machen. Das ist es, was Gregor vor allem erreichen will. Da man mich damals in Westfranken gegen den Willen des früheren Papstes zum Erzbischof wählte, liegt Gregor viel an meiner Absetzung, denn sie bedeutet die Wiederherstellung seiner Oberhoheit auch über die westfränkische Kirche.«
»Ich habe Brun als Hofkapellan erlebt«, zweifelte Alexius. »Ein frommer, gerechter Christ. Auch wenn ihm an Eurer Absetzung liegt, wird dieser Papst doch nie einer Ehe unter Verwandten zustimmen.«
»Wir werden sehen. Jedenfalls betrachtet die westfränkische Mönchspartei mich als Gebannten. Mit Abbo von Fleury habe ich nicht einen Feind, sondern hunderte, tausende in den Klöstern Galliens, Lothringens und vielleicht auch der Lombardei.«
»Wie unsere Wege sich immer wieder kreuzen, Gerbert«, staunte Alexius. »Irgendwie hängt auch der Tod meines Freundes Carolus mit Abbo von Fleury zusammen.«
»Mein Gott. Diese Geschichte habe ich völlig vergessen. Was hat denn Abbo von Fleury damit zu tun?«
Alexius berichtete. Von den im Churer Bischofspalast gefundenen Briefen, den turbulenten Ereignissen auf der Reichenau.
Gerbert hörte aufmerksam zu. »Wenn wir nur wüssten, wer der dritte Besucher im Kloster war. Er hatte ein italienisches Gefolge, sagst du?«
»Ja. Sein Name wurde nicht genannt. Maurus hat nur zufällig von einem Bediensteten aufgeschnappt, dass der mysteriöse Gesprächspartner Abt Witigowos von der Reichenau nach Pavia weiterreisen wollte.«
»Vermutlich ein Abt aus der Lombardei oder ein Gesandter des Papstes. Auch er auf dem Heimweg nach Süden, vielleicht um mit dem Hof zusammenzutreffen. Wie Carolus.«
»Ja, aber der Unbekannte reiste nicht über Chur. Seine Gefolgsleute sprachen von Peterlingen. Offenbar hatte der Mann im Sinn, die Alpen vom Rhonetal aus zu überqueren.«
»Abbo von Fleury, Peterlingen …« Gerberts Stimme klang leise, dramatisch. »Weißt du, was das bedeutet? Kennst du Peterlingen?«
»Ein Kloster wie ein anderes, denke ich.«
»Nein, Alexius. Peterlingen bedeutet Odilo von Cluny. Das Kloster untersteht direkt dem Großabt und umfasst zahlreiche Besitzungen.«
»Ist Abt Odilo … Euer Feind?«
»Ich weiß nur, dass Abbo von Fleury mich hemmt, wo er kann. Er hasst mich, seit die westfränkischen Bischöfe meinen Vorgänger abgesetzt und mich zum Erzbischof von Reims ernannt haben. Seither bekämpft er mithilfe seiner Mönche die Macht der Bischöfe. Vor zwei Jahren reiste Abbo zum damaligen Papst Johannes, um meine Absetzung als Erzbischof von Reims zu erreichen.«
»Das ist mir alles bekannt. Aber was hat Cluny damit zu schaffen?«
»Fleury ist ein von Cluny reformiertes Kloster, Alexius. Wenn Abbo mich bekämpft, so muss dies auch für den Großabt Odilo von Cluny gelten.«
Alexius sagte nichts, starrte verständnislos auf Gerbert.
»Du weißt, dass es bei diesen Reformen nicht nur um die Rückkehr zu den strengen Regeln des heiligen Benedikt geht«, erklärte der Erzbischof geduldig. »In den Reformklöstern ist der Wille des Vorstehers absolut. Das gibt den Äbten Macht. Besonders wenn sie zusammenhalten und von einem so gefährlichen Mann wie dem Großabt Odilo von Cluny geführt werden.«
Alexius drehte sich nervös auf seinem Stuhl. Je mehr er von Gerbert erfuhr, desto verlorener fühlte er sich. Die Sache wurde immer verworrener. Konnten die heiligsten Klostervorsteher etwas mit dem Tod seines Freundes Carolus zu tun haben?
»Abt, Großabt …«, fragte der Missus irritiert. »Seit wann spricht man denn von Großäbten?«
»Seit die Reformklöster Galliens, Lothringens und der Lombardei sich zusammenspannen. Seit sie einen Klosterverband bilden, der Macht anstrebt. Der sogar auf den Papst einwirken möchte.«
»Mein Gott«, war alles, was Alexius herausbrachte. Ich bin nur ein Kaiserbote, dachte er. Soll ich allein gegen die Klostermauern Europas anrennen?
Gerbert nahm ihm die Entscheidung ab. »Alexius. Es geht jetzt um mehr als um die Aufklärung eines Mordes. Du musst dich mit einem kaiserlichen Auftrag nach Peterlingen schicken lassen. Wer weiß? Vielleicht ist der geheimnisvolle Unbekannte dort mit Odilo von Cluny zusammengetroffen. Aber auch wenn er nur durchreiste. Möglicherweise erinnert sich in Peterlingen jemand an seinen Namen. Wenn wir wüssten, wen Abt Witigowo und Abbo von Fleury auf der Reichenau getroffen haben, wären wir einen Schritt weiter.«
Alexius spürte ein Drängen in
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