Das Siegel der Macht
die ehrlichen braunen Augen. »Darf ich dich etwas fragen, Alexius? Du selbst, bist du vor allem Grieche oder ein Getreuer des Kaisers?«
Verwirrt wich Alexius Theodors intensivem Blick aus und gab keine Antwort.
»Du bist der Missus des Herrschers. Das ist Antwort genug.« Der Mönch drehte sich um und sah, dass sie allein waren. Ricolf und Gerold warteten am Rand des Orangengartens. »Im Grunde möchte auch ich selbst keine Wahl treffen. Ich bin Klosterbruder, nichts weiter.«
Nervös entgegnete Alexius: »Kannst du dich nicht verständlich ausdrücken? Ich habe genug von den Rätseln. Willst du mir bitte endlich sagen, was in Rom los ist.«
»Du weißt, dass Johannes Philagathos als Brautwerber des Kaisers in Byzanz war?«
»Ja, natürlich.«
»Mit ihm ist ein byzantinischer Gesandter nach Italien zurückgereist. Man sagt … aber das sind nur Gerüchte … «
»Welche Gerüchte?«
»Es wird gemunkelt, der Botschafter aus Konstantinopel selbst habe mit Crescentius Nomentanus verhandelt. Er soll den Machthaber der Römer aufgefordert haben, Johannes Philagathos auf den Heiligen Stuhl zu setzen.«
»Ich verstehe, dass Crescentius Nomentanus einen Gegenpapst braucht. Aber weshalb mischt sich Byzanz ein?«
»Ich weiß es nicht sicher, Alexius, es sind nur Gerüchte. Wenn sie stimmen, ist der Friede der Völker in Gefahr.«
»Onkel Theodor, du sprichst schon wieder in Rätseln.«
»Man sagt, Johannes Philagathos, nein, jetzt nennt er sich Papst Johannes … Es heißt, Papst Johannes täusche Crescentius Nomentanus, spiele ihm Freundschaft bloß vor. In Wirklichkeit stehe er im Dienst des Byzantinischen Reiches und wolle das abendländische Kaisertum wieder den Griechen ausliefern.«
»Sind das deine eigenen Fantasien?«
»Nein, Alexius. Wir Mönche leben zwar in einer abgeschiedenen Welt, aber trotzdem finden in den letzten Jahren immer wieder gefährliche Geheimnisse Zugang zu unserem Kloster.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Priester unseres Monasteriums begleiten jede Gesandtschaft, die von Rom nach Byzanz geschickt wird. Wir Klosterbrüder verstehen uns auf das Schreiben, Alexius. Und ganz besonders auf das Behandeln von Schriftstücken. Wenn wichtige Briefe in den Osten abgehen, gelingt es unseren Leuten fast immer, sie heimlich zu lesen und wieder so zu verschließen und mit Siegeln zu versehen, dass niemand es merkt.«
»Sprich weiter«, forderte Alexius atemlos.
»In seiner letzten Botschaft für Konstantinopel schrieb der byzantinische Gesandte, es sei ihm gelungen, Crescentius Nomentanus und damit Rom für den byzantinischen Kaiser zu gewinnen.«
»Und solche Informationen nennst du Gerüchte?« Alexius war empört. »Weshalb sagst du mir das alles, Onkel Theodor? Dein Blut ist griechisch. Freut es dich nicht, wenn das Abendland wieder unter einem einzigen Kaiser mit dem Oströmischen Reich vereinigt werden soll?«
»Crescentius Nomentanus hat offenbar keine Ahnung, worauf er sich da einlässt. Eine friedliche Verschmelzung aller Mächte scheint mir heute unmöglich. Das sind vergangene Träume …«
»… die vielleicht auch Kaiserin Theofanu und ihr Sohn Otto in Aachen träumen«, fiel Alexius seinem Onkel ins Wort. »Allerdings mit vertauschten Rollen. Mein Kaiser schwelgt in der Hoffnung, das Morgenland hinzuzugewinnen.«
Unsanft packte Theodor seinen Neffen bei den Schultern. »Das Schreiben des byzantinischen Gesandten hat nichts mit Träumen zu tun. Ich sage es dir nochmals, Alexius: Der Friede der Völker ist in Gefahr. Du musst etwas unternehmen!«
Alexius war wie erschlagen, als er sein Maultier am Abend der Stadt zuführte. Sofort musste der Kaiser unterrichtet werden, aber der schnellste Meldereiter war bereits weg. Der Missus beschloss, am nächsten Morgen selbst nordwärts zu ziehen. Über Pavia und Peterlingen würde er nach Aachen reisen. Der plötzliche Gedanke an das Kloster des Großabts von Cluny erschreckte ihn. Ein Albtraum überdeckte den anderen. Gerbert im gefährlichen Schatten des westfränkischen Mönchtums, der deutsche Papst Gregor ersetzt durch einen Verräter am westlichen Kaiserreich …
Die Angst saß ihm noch in den Knochen, als Alexius die Tür zu Lucillas Schänke öffnete. Er ging direkt zum Wirt hinter der Theke und hob wortlos die Kapuze seines dunklen Umhangs. Michael, der Schankwirt, starrte ihn erschrocken an. Statt des hämischen Grinsens, der widerlichen Geldgier stand in seinem Gesicht die nackte Angst geschrieben.
»Kommt, gehen
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