Das Siegel der Macht
gezücktem Schwert auf ihn zu.
Der Zweikampf dauerte lange, verzweifelt schlugen sich die Gegner. Aber niemand mischte sich ein. Zwei Edle mussten sich allein gegenüberstehen.
Alexius war groß gewachsen, doch der Gegner überragte ihn um einen halben Kopf. All seine Kraft musste der Missus aufbringen, um die kräftigen Schwerthiebe abzuwehren. Mit jedem Schlag wurde er einen Schritt zurückgedrängt. Langsam wich sein Mut der Verzweiflung. Reinhold spürte es und stieß ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus. Das triumphierende Blitzen in seinen Augen machte Alexius mehr Angst als der Lärm. Plötzlich stieß der Missus mit dem Rücken gegen einen Balken, konnte nicht weiter zurückweichen. Blitzschnell duckte er sich und schlüpfte unter dem Arm des verdutzten Grafen durch.
Auf der andere Seite des Hofes stellte Alexius sich seinem Gegner erneut. Erleichtert sah der Kaiserbote, dass Reinhold der Schweiß in Bächen über das Gesicht lief. Der Vierzigjährige wankte, als er auf Alexius losstürzte. Diesmal war der junge Kämpfer schneller. Er sprang auf die unterste Stufe der Treppe, die zum ersten Stock führte, hob sein Schwert und schlug von oben auf den Feind ein.
»Gegen ihren Willen habt Ihr Elana festgehalten«, schrie Alexius. »Jetzt müsst Ihr büßen.«
»Gleich werdet Ihr sehen …« Reinhold keuchte und verstummte. Das Sprechen ermüdete ihn zusätzlich, sein Arm wurde immer langsamer. Auf jeden Hieb des Griechen folgte sofort ein zweiter. Plötzlich holte Alexius zu einem besonders kraftvollen Schlag aus. Reinhold taumelte, das Schwert zitterte in seiner Hand. Es gelang ihm nicht, die Waffe nach oben zu reißen, bevor Alexius erneut zuschlug. Tief bohrte sich die Klinge in den Hals des Grafen. Blut strömte aus der Wunde, als der leblose Körper zu Boden sank. Reinholds schwarze Augen starrten zum Himmel.
Als es vorbei war, trat Elana in den Hof, schaute auf den Toten. Sie empfand keine Trauer, nicht einmal Mitgefühl für den Mann, der sich in ihr Leben hatte zwingen wollen. Nur endlose Erleichterung.
»Glücklicherweise hatte Reinhold keine nahen Verwandten«, argumentierte sie praktisch. »Das Grafenamt wird wohl auf seinen ehemaligen Schwager übertragen, den Bruder von Reinholds verstoßener Ehefrau.«
Sie schwieg, starrte weiter auf den leblosen Reinhold. Plötzlich ließ der Schock nach, die Spannung wurde erträglich. Elana schluchzte und schaute zu Alexius auf.
Er öffnete die Arme. »Es ist alles vorbei«, murmelte er, die Lippen in ihrem Haar.
»Ich weiß.« Elanas Worte klangen sanft wie ein Seufzer. Sie hob den Kopf, ihre braunen Augen leuchteten.
»Wollt Ihr die Geschenke sehen?« Alexius nahm verlegen ihren Arm. »Reiten wir zurück in Eure Ländereien. Da könnt Ihr die Schätze bewundern.«
»Darf ich sie denn überhaupt behalten?«, fragte Elana am folgenden Tag im Hof der Fallsteinburg.
»Wir müssen den Kaiser fragen. Meines gehört jedenfalls Euch. Schaut.« Alexius wickelte sorgfältig zwei neu kopierte Bücher aus.
Elana war begeistert. »Die Naturalis Historia von Plinius! Das darf ja nicht wahr sein. Wenn es sich um die richtigen Bände handelt, werde ich noch mehr über die Geheimnisse der Metalle erfahren.«
»Es sind die richtigen. Gerbert hat die Bücher dem Kaiser geschenkt, und Otto hat mir erlaubt, sie für Euch kopieren zu lassen.«
»Aber wie könnt Ihr wissen, dass solche Schriften mich interessieren? Ich meine, normalerweise können auf den Burgen doch nicht einmal die Männer richtig lesen und schreiben. Geschweige denn die Frauen.«
»Ihr habt mir selbst gesagt, dass Ihr lesen könnt.«
»Zwischen dem Lesen von Briefen und dem Hunger nach Wissen ist ein riesengroßer Unterschied.«
»Ich habe mich eben informiert«, gab Alexius zu. »Ihr wart doch im Kloster.«
Elana wurde rot. »Aber nicht als Nonne. Ich bin in die Stiftsschule von Gandersheim eingetreten, weil mein Vater beschlossen hatte, mich zusammen mit der Tochter des Kaisers ausbilden zu lassen. Prinzessin Sophia ist im Kanonissenstift geblieben, ich selbst habe es dort nicht lange ausgehalten. Die Freiheit geht mir über alles.«
Alexius sah Trotz in ihren Augen und war froh darüber. Ihre zarte Sanftheit hatte ihn am Vortag verwirrt.
17
Kriegsgeschrei, Feuer, plündernde, schändende kaiserliche Streitmächte. Alexius war froh, dass die Hölle nicht mehr Wirklichkeit war. In der Erinnerung tobte sie weiter, besonders in den lauen Septembernächten auf der Reise nach Süden.
Der
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