Das Siegel der Macht
aus der Hand und besprengte sie mit geweihtem Wasser, murmelte leise: »Herr, segne dieses Schwert, damit es zum Schutz von Kirchen, Witwen, Waisen und gegen wilde Heiden dienen kann und andere Feinde in Angst und Schrecken versetzt.«
Alexius hob den Kopf und sah mit glänzenden Augen, wie Otto ihm ein Schmuckstück um den Hals legte. Auch der Kaiser war bewegt. An der Kette baumelte ein feines Amulett mit einer Haarlocke des Märtyrers Adalbert aus Prag.
Gut gelaunt versprach der Kaiser, Alexius Güter, Einkünfte und Rechte zu überschreiben. Der treue Höfling Hodo sollte als Vertreter des Grafen einen Vogt für die Olseck bestimmen, außerdem die umliegenden Klöster und den Bischof informieren.
»Dann darf ich Elana in ihre Ländereien begleiten?«, strahlte Hodo in die Runde.
»Du darfst nicht, du musst«, stellte Otto klar.
Der rothaarige Sachse wandte den Blick von den Musikanten ab und richtete ihn erneut auf die Burgherrin. Die Formen unter der silbernen Tunika regten seine Fantasie an.
»Macht Euch keine Illusionen«, sagte Elana so laut, dass auch Otto sie hören konnte. Ihre Augen fixierten den neuen Grafen von Olseck. Alexius wollte ihnen nicht begegnen, spielte mit seinem Schwertknauf. Die Burgherrin fuhr mit fester Stimme fort: »Im Beisein des Kaisers wiederhole ich meinen Entschluss, niemals zu heiraten. Schlagt Euch die Flausen also lieber sofort aus dem Kopf, Hodo.«
Das gesegnete Schwert an seiner Hüfte, das Amulett um den Hals, freute sich Alexius auf seiner Reise durch Schwaben über seinen neuen Status. Auf der Insel Reichenau hatte der nervenaufreibende Alltag den Kaiserboten wieder. Seine Hoffnungen, im Kloster auf neue Informationen zu stoßen, wurden enttäuscht. Der abgesetzte Witigowo war im Juni verstorben und hatte das Geheimnis seiner Unterredung mit Abbo von Fleury und einem Unbekannten mit ins Grab genommen. Im Gespräch mit Bruder Maurus gab Alexius sich Spekulationen hin. Der Mediziner warf Fragen auf, die weder der Missus noch Gerbert sich gestellt hatten.
Obwohl Alexius im Gästehaus auf der Reichenau übernachtete, fand das Gespräch mit Maurus nicht dort statt.
Der Mönch führte den Kaiserboten an der Marienkirche vorbei zur mächtigen Turmanlage des Münsters. Zuoberst unter dem Dach betraten sie die von Witigowo erbaute Turmkapelle des heiligen Michael. Es roch nach Weihrauch und Kerzenwachs.
Alexius war wie erschlagen vom Zauber der Atmosphäre und konnte seine Augen nicht von dem goldenen Altar mit dem Reliquienschrein lösen.
»Hier sind wir vor neugierigen Ohren sicher«, keuchte Maurus. »Man sagt, dass manchmal Engel den Turm umkreisen.«
Kaum hatten sich seine Lungen nach dem Treppensteigen wieder beruhigt, ging der Mediziner an allen Wänden entlang und hob die Vorhänge. Sogar hinter und unter dem Altar schaute er nach. Sie waren allein. Gespannt forderte er den Missus zum Erzählen auf. Mit konzentrierter Aufmerksamkeit folgte Maurus den Worten des Boten und überlegte angestrengt.
»Wenn jemand einen falschen Klosterbruder in Peterlingen postiert hat, um Euch mit Wein zu vergiften, so musste dies von langer Hand geplant worden sein«, argumentierte er schließlich. »Aber wer hat den vermeintlichen Mönch aus Verona nach Peterlingen geschickt? Und vor allem, wie hat unser schattenhafter Gegner, der Antichrist, erfahren, dass Ihr nach den Mördern von Carolus und Maxim forscht?«
»Ihr habt Recht, darum geht es.« Alexius sprach langsam, abgehackt. »Jemand will verhindern, dass ich weitere Untersuchungen anstelle. Aber wer könnte davon wissen?«
»Unser ehemaliger Abt hat vor seinem Tod viel korrespondiert. Ich weiß, dass er mehrmals Briefe durch vertraute Boten zu den Klöstern von Cluny und Fleury hat tragen lassen.«
»Da sind wir wieder bei den heiligen Reformäbten«, stieß Alexius erschrocken aus. »Auch wenn Abt Witigowo unsere Gespräche im letzten Herbst hat belauschen lassen, auch wenn er dies nach Cluny und Fleury gemeldet hat, welche Rolle können die frömmsten Mönchsführer der Christenheit in dieser Mordgeschichte spielen?«
»Vielleicht nur eine zufällige. Gerade deshalb wäre die Sache eine Reise nach Fleury wert. Da Abt Abbo persönlich wohl nichts zu verbergen hat, könntet Ihr dort die Wahrheit finden.«
»Ich kann jetzt nicht nach Fleury reiten.« Alexius’ Stimme klang ungeduldig. »Wichtige Botschaften müssen nach Rom gebracht werden. Jedenfalls werde ich unterwegs im Kloster Sankt Peter in Pavia einen Halt
Weitere Kostenlose Bücher