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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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Besitzstreitigkeiten abzuschaffen. Niemand sollte mehr für materiellen Gewinn ewigen Schaden am eigenen Seelenheil nehmen. Justitia stellte fortan den Zweikampf in ihren Dienst. Jede Partei musste einen Kämpfer ernennen, der Himmel für Gerechtigkeit sorgen.
    Otto beugte sich vor, um den Kampf der beiden Männer besser zu sehen. Bis zum letzten Atemzug wehrte sich Waldradas Berufskrieger. Als er tot zu Boden sank, wischte sich der Vogt des Bischofs die blutverschmierte Hand am Beinkleid ab und machte den Priestern Platz. Der Zweikampf zwischen den Parteien war beendet, Gott hatte gesprochen. Der Gerichtsvorsitzende bestätigte dem Bischof von Tortona den gesamten Besitz.
    Erleichtert erhob sich der Kaiser und ging in seinen Schlafraum. Morgen würde man nach Cremona weiterreisen. Ottos Ungeduld jagte seine Gedanken nach Rom. Die kaiserliche Delegation war immer noch nicht zurückgekehrt. Aus der knapp und unterwürfig gehaltenen Botschaft Papst Johannes Philagathos’ ging nicht hervor, weshalb die Botschafter sich so lange in der Stadt am Tiber aufhielten.
    Die ruhige Schifffahrt durch die Poebene machte Otto in den nächsten Tagen noch melancholischer. Er zwang sich, Gesellschaft zu suchen, wandte sich an Gerbert von Aurillac: »Heute wollen wir disputieren.«
    Ottos Freund und Lehrer aus Westfranken war seit dem Sommer in Magdeburg Mitglied der kaiserlichen Hofkapelle. Da er Musikinstrumente baute und den Kaiser mit immer neuen Melodien überraschte, trug Gerbert den Titel eines Hofmusikus.
    »Nur Ihr, Odilo von Cluny und mein Vetter, der Papst, sollt bei der heutigen Diskussion dabei sein«, erklärte Otto. »Alle anderen müssen zuhören, auch der neue Abt Alawich von der Reichenau, so gelehrt er auch sein mag.«
    »Wir könnten über den Sinn des gerichtlichen Zweikampfs diskutieren.« Gerberts Antwort klang sanfter, als sie gemeint war.
    »Ihr seid gegen Gottesurteile, Gerbert? Lehnt Ihr etwa auch die Feuer- und Wasserprobe ab?«
    Gerbert wählte seine Worte vorsichtig. »Nehmen wir die Wasserprobe. Die Reinheit des Wassers stößt den Schuldigen ab, den Unschuldigen nimmt sie auf. Aber was nützt der Unschuldsbeweis dem Guten, wenn das Wasser ihn verschlingt und ihm den Tod bringt?«
    »Seine Seele wird gerettet.«
    »Die ist ohnehin rein. Vielleicht würde der Unschuldige aber lieber noch etwas länger leben.«
    »Dasselbe denkt Ihr über den Zweikampf?«
    »Oft werden, wie es scheint, Unschuldige besiegt, und Schuldige gewinnen.«
    »Vielleicht ist es doch besser, wenn wir über Vergil disputieren.« Otto drehte sich zur Seite und starrte ins Wasser.
    »Keine Nachrichten von Alexius?«, erriet Gerbert die dunklen kaiserlichen Gedanken.
    »Nein. Gestern ist wieder ein Bote aus Rom zurückgekommen.« Die Worte sprudelten fast von selbst heraus, Leben kam in Ottos blasse Wangen. »Gerbert! Die Pferde, das ganze Gepäck der Delegation befinden sich immer noch im Quartier in der Nähe der sächsischen Schule. Aber Alexius selbst und seine Begleiter sind Anfang November spurlos verschwunden. Dafür kann nur einer verantwortlich sein: Crescentius Nomentanus.«
    »Wissen und Dispute bedeuten mir normalerweise mehr als das Leben«, warf Gerbert leise ein. »Trotzdem. Könnten wir unsere Diskussion über Vergil verschieben? Alexius ist für mich wie ein Sohn, ich kann nicht klar überlegen, solange wir nicht wissen, was mit ihm passiert ist.«
    Otto nickte besorgt und lehnte sich über das Wasser.
    Alexius kam am Tag des Kometen. Der helle Stern mit dem Schweif stand im Februar 998 mehrere Tage lang am Himmel. Man verehrte und beschrieb ihn in Sankt Gallen genauso sorgfältig wie in der Poebene. Papst Gregor und seine Priester warfen sich zu Boden und dankten Gott für die kaiserliche Hilfe, Otto und Gerbert für die Rückkehr ihres Freundes Alexius, der völlig erschöpft den fahrenden Hof erreichte.
    Der Missus schickte sofort Boten südwärts, um Elana von seiner heilen Rückkehr an den Kaiserhof zu unterrichten. Sicher würde es den Männern nicht schwer fallen, die Sächsin in Rom oder unterwegs nach Norden anzutreffen. Reisende blonde Edeldamen waren eine Seltenheit in Italien. Als die Meldereiter unterwegs waren, fiel der erschöpfte Alexius in tiefen Schlaf. In den kurzen wachen Stunden berichtete er dem Kaiser und Gerbert von den Ereignissen in Rom.
    Seine Flucht war alles andere als einfach verlaufen. Im letzten Moment, als sie das Tor der Engelsburg bereits passiert hatten, wurden Wachmänner auf den

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