Das Siegel der Macht
ging es Gerold durch den Kopf. Verzweifelt sah er sich um und atmete auf. Die Rampe mündete unten nicht nur in das gerade Tonnengewölbe, das ins Freie führte, sondern auch in ein Atrium, wo einst die Statue des römischen Kaisers Hadrian gestanden hatte. Gerold nahm Elana bei der Hand und schlich mit ihr hinter den halb zerfallenen Denkmalsockel. Dieser war gerade so hoch und so breit, um beiden Deckung zu geben.
Gespannt kauerte Elana am Boden. Ihr Herz klopfte rasend, als die Pferdehufe immer lauter dröhnten. Endlich! Ein Reiter zog an ihnen vorbei, wechselte vor dem Eingang einige Worte mit den beiden Kriegern. Zusammen näherten sich alle drei der Pforte neben dem äußeren Hauptportal.
Elana atmete erleichtert auf. Als die Hufschläge im Hof verklangen, kamen sie ihr wie Musik vor. Mit frischem Mut folgte sie Gerold zurück zur Rampe. Ungestört konnten sie endlose Rundungen hinter sich bringen. Immer ging es noch weiter. Wenn jetzt ein Reiter kommt, können wir nicht schnell genug zurücklaufen, ging es ihr durch den Kopf. Aber sie drängte neben Gerold vorwärts.
Endlich kam eine Pforte in Sicht, gleichzeitig konnten sie leise Stimmen hören. Das musste der unterste bewohnte Raum sein. In der Nähe fanden sie eine geschlossene kleine Tür. Das Gefängnis im einstigen Luftschacht! Es war verbarrikadiert.
Gerold entfernte den Balken und nahm eine Fackel von einem Wandhalter, leuchte in den kleinen Raum. Ein fremder Gefangener auf der Schlafbank blinzelte. Rasch drehte der Hüne aus Sachsen sich um, sagte barsch: »Nur eine Kontrolle, schlaf weiter.«
Als er wieder in der Rampe stand, flüsterte Gerold seiner Herrin zu: »Keiner darf Euch sehen! Ihr müsst draußen warten, während ich die Zellen kontrolliere. Wenn jemand merkt, was wir im Sinn haben, müssen wir weitere Gefangene befreien. Das bringt uns in zusätzliche Gefahr.«
Geräuschlos passierten sie die Pforte mit dem bewohnten Raum und folgten wieder dem Lauf des spiralförmigen Aufgangs, der jetzt viel schmaler war. Offenbar stammte dieser Teil nicht von den alten Römern. Die Tür eines oberen bewohnten Raumes stand einen Spaltbreit offen, Gerold und Elana konnten ins Innere sehen. Schnell gingen sie weiter, bis der Durchgang zur Baustelle sichtbar wurde.
»Hier oben sind keine Gefängnisse mehr«, flüsterte Gerold. »Die neuen Räume werden von den Crescentiern bewohnt, das wissen wir sicher.«
Langsam wurde Elana die Aussichtslosigkeit ihrer Suche bewusst. Sie zitterte vor Kälte, die Enttäuschung schmerzte unerträglicher als die Angst. Wäre es nicht das Vernünftigste, aufzugeben? Wenn sie sich jetzt an ihre Arbeitsplätze zurückschleichen und abends die Burg mit den Frondienstleuten verlassen würden, wäre alle Gefahr vorbei. Niemals aber würden sie wissen, ob Alexius am Leben war oder nicht. Nein, dachte Elana. Es gibt kein Davonlaufen, wir müssen weitermachen.
Die Burgherrin suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Unmögliche Ideen schossen ihr durch den Kopf. Plötzlich flüsterte sie: »Schließ die Zelle im ehemaligen Luftschacht nochmals auf, Gerold! Wir müssen mit dem Mann sprechen.« Der Diener wollte protestieren. Sanft legte sie ihm die Hand auf den Arm: »Bitte!«
Als sie in der Zelle standen, sprang der junge Gefangene von seiner Steinbank auf. Elana trat vor und drückte ihm leicht die Hand auf den Mund. »Wenn Ihr uns helft, seid Ihr heute Abend ein freier Mann.«
»Habt Ihr das Lösegeld mitgebracht?«, flüsterte der eingekerkerte Römer.
»Welches Lösegeld?«
»Ich dachte …«
»Wir befreien Euch auch so«, fiel Elana ihm ins Wort. »Wenn Ihr uns helft, einen kaiserlichen Missus zu finden, der hier eingesperrt ist.«
»Seit Tagen liege ich im Dunkeln. Wie sollte ausgerechnet ich Euch helfen können?«
»Gibt es im Kastell noch weitere Zellen?« Gerold war vorgetreten und packte den Gefangenen am Arm.
»Nebenan.«
»Nebenan? Wir haben nur die Pforte zum Wohnraum bemerkt, sonst nichts.«
»Seltsam …«, sagte der Römer gedehnt. Er besann sich einen Augenblick und fragte: »Habt Ihr die Wehrtürme beim äußeren Mauerwall gesehen? Auch dort soll es Gefängnisse geben.«
»Da waren wir schon«, warf Elana ungeduldig ein. »Aber hier, im Kastell selbst …«
»Sicher weiß ich das nicht«, antwortete der Gefangene. »Soweit ich aus dem Gerede der Wächter gehört habe, lebt hier tatsächlich ein Gesandter des Kaisers. Aber ich habe keine Ahnung, wo er ist.«
Elana war enttäuscht. Aber sie
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