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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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bedeckte ihren Rücken und halb das Gesicht. Fast hätte er laut geschrien. Das darf nicht wahr sein! Ausgerechnet Crescentius füttert eine Geliebte durch, während wir andern hungern. Aber es blieb beim Gedanken, er sagte nichts.
    Geräuschlos zog der Grafensohn aus der Sabina die Tür zu und ging zum Bett. Die junge Frau war schön wie ein Traum. Oktavians Augen folgten dem Schwung ihrer nur halb bedeckten Waden, erahnten feste Schenkel. Er kniete nieder und spähte zwischen die schwarze Haarflut.
    Die feine Nase, die vollen Lippen! Oktavian erschrak und freute sich gleichzeitig. »Meine Stickerin«, flüsterte er, »die mich in meinen Träumen verfolgt.« Er streckte die Hand aus und berührte das zarte Oval ihres Gesichts, den Hals, tastete unter das Hemd. Wohlig dehnte Lucilla sich, seufzte im Schlaf. Er schob die Falten des Stoffes zur Seite und entblößte ihren Oberkörper. Mit der Zunge streichelte er sanft ihre Haut, liebkoste die Brustwarzen. Die Schlafende vibrierte, träumte weiter. Erregt streifte Oktavian ihren Rock nach oben, schob seine Hand zwischen die jungen Schenkel.
    Plötzlich erwachte Lucilla und sprang vom Bett auf. Angst in den weit geöffneten Augen. Rasch bedeckte sie sich mit dem Hemd.
    »Du kennst mich doch, Kleine.« Oktavian ging auf sie zu. »Für meine Schwester hast du letztes Jahr Stoffe gestickt. Monate habe ich nach dir gesucht. Bist du deinem Liebhaber doch noch entwischt?«
    Lucilla gab ihrer Stimme Härte. »Ihr habt kein Recht, mir nachzustellen. Geht!«
    »Wie du willst. Die Alte wird dir jedenfalls nichts mehr zu essen bringen.« Oktavian wandte sich zur Tür.
    »Wartet, ich … Die Frau war die Amme des Crescentius. Das wisst Ihr sicher. Sie gibt mir Nahrung, damit ich später … für sein Seelenheil bete.«
    »Um meines brauchst du dich nicht zu kümmern. Ich will nur deine Arme um mich spüren.« Oktavian nahm ihr Gesicht zwischen die Hände.
    Ich muss mich wehren!, durchfuhr es Lucilla. Aber sie fühlte sich seltsam kraftlos.
    »Täubchen«, flüsterte er, »du bist noch schöner als in der Erinnerung.« Langsam näherte sich sein Mund ihrem Gesicht, Lucilla schloss die Augen, hörte seinen Atem. Nicht brutal, unendlich sanft suchten seine Lippen ihren Mund. Einen Moment, den Bruchteil eines Moments lang verspürte Lucilla einen unerklärlichen Rausch, süß, gefährlich wie ein verbotener Apfel. Oktavian triumphierte. Er ergriff sie mit den Armen, zwang sie gegen die Wand. Fordernd drängte seine Zunge zwischen ihre Lippen. Lucilla erwachte aus ihrem Tagtraum, spürte die Gefahr, hart wie ein Schwert. Angewidert stieß sie ihn weg. »Lieber verhungern«, flüsterte sie.
    Oktavian lachte. »Dein Körper will mich, Lucilla. Morgen, übermorgen, du wirst sehen.«
    Im Morgengrauen griffen die Kaiserlichen an. Gemeinsam bildeten Deutsche und Römer ein gewaltiges Heer. Leitern und Belagerungsmaschinen wurden von unzähligen Kriegerhänden an die äußere Wehrmauer der Engelsburg geschoben. Soldaten kletterten hoch, versuchten die Brüstung zu erreichen. Als Antwort des Crescentius Nomentanus regnete es von Türmen und Zinnen Pfeile. Aus schmalen Maueröffnungen wurden Steine geworfen.
    Bis zum Abend tobte der Kampf weiter, dann wurden die Toten weggetragen. Selbst in der Nacht machte das Belagerungsheer Überraschungsangriffe.
    Am zweiten Tag ließ Gerbert seine ersten Wurfmaschinen aufstellen. Mithilfe von Pferden und Ochsen konnten die Seilvorrichtungen derart gespannt werden, dass die Steinbrocken mit Wucht gegen den Mauerwall prallten. Auf der Westseite wurden erneut die Belagerungstürme aufgebaut.
    Als die ersten Krieger die Zinnen erkletterten und in den Burghof sprangen, schrie der Machthaber nach Verhandlungen. Kurze Zeit später betrat der kaiserliche Kämmerer mit starkem Gefolge die Burg. Lange wurde diskutiert, ehe Ottos Gesandter Crescentius Nomentanus seinen Eid schwor. Er sicherte diesem freies Geleit zu. Am folgenden Tag sollte der Senator mit einem Begleiter zum Kaiser geführt werden.
    »So oder so, das ist unsere letzte Nacht. Und vergiss nicht. ich habe nichts zu verlieren.« Oktavian sprach leise, drängend.
    Lucilla gab keine Antwort, starrte aus dem Fensterspalt des Kastells in die Dunkelheit. Durch das dünne Hemd spürte sie die kühle Nachtluft. Sie fröstelte, obwohl ihre nackten Füße auf einem Teppich standen.
    »Sing mir ein Lied«, sagte er unvermittelt. »So wie damals als Stickerin.«
    Gewonnene Zeit war ein Geschenk des Himmels.

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