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Das Siegel der Macht

Das Siegel der Macht

Titel: Das Siegel der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Dettwiler
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Lucilla besann sich nicht zweimal. Sehnsüchtig, ausgedehnt wie noch nie erklang ihr Lied. Die Melodie weckte Erinnerungen und stimmte sie sanft. Sie trat zur Maueröffnung, ihre Augen leuchteten in die Nacht. Dort unten, irgendwo dort unten wartete Alexius.
    »Komm, Lucilla, komm zu mir«, flüsterte Oktavian. Er stand ganz dicht vor ihr, ohne sie zu berühren. »Keine Gewalt in dieser Kammer, das schwöre ich dir.«
    Sie wich zurück. »Ich werde laut schreien.«
    »Dann wirst du andere Kerkermeister bekommen. Und du kannst mir glauben, die werden dich nicht mit so viel Zärtlichkeit umwerben.«
    Lucilla bedeckte sich die Augen mit den Händen.
    »Du willst nicht? Gut! Aber wenn sie mich umbringen, wirst du mit mir sterben.« Oktavian ging zur Tür und öffnete sie, besann sich, lief zu ihr zurück. Sanft durchkämmte er mit den Fingern ihr Haar, folgte der Stirn, dem Schwung ihrer Lippen. »Du willst mich, ich spüre es.« Sein Keuchen war leise, fast unhörbar. Er liebkoste mit dem Mund ihren Hals, suchte ihre Lippen, öffnete sie mit dem Stoß der Zunge.
    Die junge Frau zitterte, erschrak vor sich selbst. Intimste Erinnerungen drängten sich ungewollt in die Gegenwart. Willenlos überließ sie sich dem verhassten Zauber.
    Oktavians Hand griff nach ihrer nackten Haut. Da, seine Finger bekamen ihr Amulett zu fassen. Lucilla trat zur Seite, streifte die Kette ab und starrte auf die Reliquie. Das wertvollste Geschenk von Alexius. Sie hielt das Kleinod mit beiden Händen umfangen.
    »Komm, Lucilla, komm!« Oktavian legte ihr das Amulett wieder um den Hals, wollte sie zärtlich in die Arme nehmen.
    Heftig stieß die Römerin ihn weg und lief in den düsteren Gang. Die halb offene Tür schlug sie hinter sich zu. Im ersten Moment konnte sie nichts sehen und tastete sich die Mauer entlang. Als ihre Augen sich an das schwache Licht gewöhnt hatten, begriff Lucilla mit Entsetzen, dass sie in einer Sackgasse gelandet war. Sie drehte sich um, nahm weit hinten den flackernden Schein einer Fackel wahr.
    Plötzlich öffnete Oktavian die Tür und trat auf den Gang hinaus. Lucilla drückte sich flach an die Wand, wartete mit klopfendem Herzen. Zu ihrer Erleichterung rannte der Mann in die Gegenrichtung.
    Ich muss mir ein Versteck suchen, dachte Lucilla. Dann bin ich gerettet. Die Kaiserlichen werden jeden Moment die Burg stürmen. Vorsichtig glitt die junge Frau die Mauer entlang. Als der Lichtschein heller wurde, ging sie schneller. Bei der Fackel kreuzte sich der Gang mit einem breiteren Korridor. Lucilla zögerte. In der Ferne waren Stimmen zu hören. Voller Angst wollte sie wieder in den düsteren Gang laufen, besann sich aber. Oktavian würde zurückkommen, sie musste sich im unteren Teil der Burg verstecken.
    Mutig ging die Römerin vorwärts. Der Korridor führte zur Rampe, die sie am ersten Tag hochgeritten waren. Lucilla zögerte. Hier gab es keine Nischen oder Zellen, die ihr Schutz bieten konnten. Ich habe nichts zu verlieren, dachte sie verzweifelt und beschloss, trotz der Gefahr nach unten zu gehen. Lautlos bog sie in den spiralförmigen Gang ein.
    Nach einigen Wendungen wurde die Rampe breiter und höher. Lucilla befand sich im Jahrhunderte alten Aufgang des einstigen Mausoleums. Plötzlich sah sie eine Tür, die nur angelehnt war. Als die junge Frau leise Stimmen hörte, eilte sie weiter.
    Die Spirale schien kein Ende zu nehmen. Mit jedem Schritt klopfte Lucillas Herz wilder. Schließlich mündete die Rampe in das monumentale Tonnengewölbe, das ins Freie führen musste. Hoffnungsvoll wollte die Römerin das Atrium betreten, zuckte aber sofort erschrocken zurück. Das Tor war verschlossen, und vier Krieger standen davor Wache.
    Lucilla hätte vor Verzweiflung am liebsten geschrien. Sorgfältig suchte sie ihre Umgebung mit den Augen ab. Nichts! Sie konnte weder ein Versteck noch einen zweiten Ausgang entdecken. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Rampe erneut hochzusteigen.
    Als sie wieder vor dem untersten bewohnten Raum ankam, stand Oktavian plötzlich vor ihr. Im Fackellicht sah Lucilla sein wutverzerrtes Gesicht. Bevor er den Arm nach ihr ausstrecken konnte, riss sie den Saum ihres Hemdes nach oben und rannte die Rampe hoch. Die Angst gab ihr Flügel. Ohne die störenden Röcke zwischen den Beinen war sie schnell wie ein Junge. Oktavian blieb immer mehr zurück. Natürlich war er nicht barfuß wie sie und wollte mit seinen schweren Reiterstiefeln vorsichtig auftreten, um keinen Lärm zu

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