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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Mädchen ausgemalt, daß sie in der Nachbarschaft wohnen und zusammen ihre Kinder großziehen würden; sie wünschte sich eine Tochter, Uma, und einen Sohn, Pablo. Jetzt habe sie wenigstens das Glück, daß Nico seine Kinder mit ihr teile, und sie wolle versuchen, ihnen eine verläßliche Freundin zu sein, sagte sie noch. Aus dem Kästchen holte sie drei Blumenzwiebeln und grub sie ein. Neben die erste legte sie einen Stein für Alejandro, dem Minerale gefallen, neben die zweite ein rosafarbenes Herz für Andrea, die der Phase dieser scheußlichen Farbe noch immer nicht entwachsen war, und neben die dritte einen lebenden Wurm für Nicole, die alle Tiere liebt. Willie legte wortlos das Foto von Jennifer auf den Altar und beschwerte es mit kleinen Steinen, damit der Wind es nicht forttrug.Nico erklärte, er lasse dein Bild da, damit du bei dem Kind wärst, das nicht geboren worden war, und bei den anderen Kümmernissen, die hierbleiben sollten, aber seine Traurigkeit wolle er nicht hergeben. »Ich vermisse meine Schwester, und das wird immer so sein, bis an mein Lebensende«, sagte er. So viele Jahre später ist die Trauer um dich noch immer, wie sie war, Paula. Man muß nur ein wenig an der Oberfläche kratzen, und sie bricht wieder hervor, frisch wie am ersten Tag.
    Doch nur durch ein Ritual in einem Labyrinth in den Bergen läßt sich ein unerfüllter Kinderwunsch nicht überwinden, selbst wenn man noch so oft zur Therapie geht und sich gut zuredet. Fast kommt es einem wie grausame Ironie vor, daß andere Frauen Schwangerschaften verhüten oder abtreiben, es Lori aber vom Schicksal verwehrt wurde, Kinder zu bekommen. Sie konnte keine austragen, damit mußte sie sich abfinden, denn selbst die vielversprechende Methode, ihr eine fremde befruchtete Eizelle einzupflanzen, schlug fehl, aber noch blieb die Möglichkeit der Adoption. Es gibt unendlich viele Kinder ohne Familie, die darauf warten, daß jemand sie mit offenen Armen aufnimmt. Nico war überzeugt, das werde Loris Schwierigkeiten wie Zeitmangel, Arbeitsüberlastung und fehlenden Raum für sich noch verschärfen. »Wenn sie sich jetzt schon gefangen fühlt, um wieviel schlimmer wäre es mit einem Säugling«, sagte er zu mir. Ich wußte ihm keinen Rat zu geben. Die Entscheidung, vor der sie standen, war vertrackt, wer von den beiden auch immer nachgab, würde es dem anderen vorwerfen, sie, weil Nico ihr etwas Wesentliches vorenthielt, Nico, weil sie ihm ein adoptiertes Kind aufnötigte.
    Nico und ich pflegten zusammen in einem Café zu frühstücken, um einander über unseren Alltag und die Geheimnisse des Herzens auf dem laufenden zu halten. Ein Jahr hindurch wurden diese vertrauten Gespräche von LorisKinderwunsch und den Fragen einer Adoption beherrscht. Er verstand nicht, daß der Wunsch, Mutter zu werden, wichtiger sein sollte als ihre Liebe, die durch diese Obsession in Gefahr geriet. Für ihn waren sie beide wie dafür geschaffen, einander zu lieben, sie ergänzten sich in allem, sagte er, und verfügten über die nötigen Mittel, um ein unbeschwertes Leben zu führen, aber anstatt sich an dem zu freuen, was sie hatten, litt Lori unter dem, was ihr fehlte. Ich erklärte ihm, daß unsere Spezies ohne dieses Bedürfnis, gegen das wir Frauen nichts vermögen, längst ausgestorben wäre. Welchen vernünftigen Grund sollte es geben, seinen Körper den Strapazen einer Schwangerschaft und Geburt auszusetzen, den Nachwuchs bis zur Selbstaufgabe zu verteidigen wie eine Löwin, ihm jahrelang jeden Augenblick des Lebens zu widmen, bis er auf eigenen Füßen steht, und ihm dann aus der Ferne traurig nachzublicken, weil man ihn verloren hat, denn früher oder später gehen die Kinder fort. Nico wandte ein, daß der Wunsch nach Kindern weder so unumstößlich noch so eindeutig bei allen Frauen vorhanden sei: Manche Frauen stehen nicht unter diesem biologischen Mandat.
    »Paula wollte zum Beispiel nie Kinder«, erinnerte er mich.
    »Vielleicht fürchtete sie sich vor den Folgen der Porphyrie, nicht nur wegen des Risikos für sie selbst, sondern auch weil sie die Krankheit an ihre Kinder hätte vererben können.«
    »Sie hat lange vor dem ersten Verdacht auf Porphyrie schon gesagt, daß Kinder nur aus der Ferne liebenswert sind und es andere Möglichkeiten der Selbstverwirklichung gibt als die, Mutter zu werden. Außerdem wird bei manchen Frauen der Mutterinstinkt nie wach. Wenn sie schwanger werden, fühlen sie sich von einem fremden Wesen okkupiert, das von ihnen

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