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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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lebendig erhalten. Lori kann keine eigenen Kinder bekommen, aber sie hat uns drei.«

Verbotene Liebe
    Während der Monate, in denen sie sich zur Verfügung stellte, um mit dem Kind von Lori und Nico schwanger zu werden, arbeitete Juliette nicht, weil sie starke Hormonpräparate einnehmen mußte. Natürlich kümmerte sich die Familie um sie, aber nachdem sich jede Hoffnung auf eine Schwangerschaft zerschlagen hatte, suchte Juliette eine neue Anstellung. Die fand sie bei einem Investor, der in San Francisco asiatische Kunst für seine Galerien in Chicago zu kaufen gedachte. Ben war siebenundfünfzig, hatte sich gut gehalten und mußte Geld wie Heu haben, jedenfalls zeigte er sich in fürstlicher Weise spendabel. Er plante, häufig selbst aus Chicago anzureisen, suchte aber eine verantwortungsvolle Person vor Ort, die während seiner Abwesenheit Importe kostbarer Objekte nach Kalifornien überwachte. Bei ihrem ersten Gespräch lud er Juliette ins beste Restaurant im County zum Abendessen ein – ein gelbes Haus aus viktorianischen Zeiten zwischen Pinien und Rosenbüschen – und war nach mehreren Gläsern Weißwein nicht nur überzeugt, die ideale Assistentin gefunden zu haben, sondern auch verliebt in sie. Ein romanhafter Zufall wollte es, daß Ben, wie sie im Gespräch herausfand, Manolis erste Ehefrau gekannt hatte, die Chilenin, die am Tag der Hochzeit mit dem Yoga-Lehrer durchgebrannt war. Er erzählte ihr, die Frau lebe in Italien und sei in vierter Ehe mit einem Olivenölproduzenten verheiratet.
    Juliette hatte sich seit einer Ewigkeit nicht mehr begehrt gefühlt. Schon im Jahr vor seinem Tod war Manoli nicht mehr der leidenschaftliche Liebhaber gewesen, der die zwanzigjährige Juliette verführt hatte, waren seine Knochen und sein Gemüt von der Krankheit angegriffen. Ben gab sich alle Mühe, den Mangel wettzumachen, und wirsahen, wie Juliette aufblühte, strahlte, ein neues Leuchten in ihrem Blick war und ein schalkhaftes Lächeln auf ihren Lippen. Ihr Leben änderte sich, sie gingen in teure Lokale, Restaurants, ins Theater, in die Oper, unternahmen Ausflüge. Ben überschüttete Aristoteles und Achill mit Aufmerksamkeiten und Geschenken. Er war ein begnadeter Liebhaber, der Juliette sogar am Telefon glücklich machte; so war seine Abwesenheit zu ertragen, und wenn er nach Kalifornien kam, wurde er sehnsüchtig erwartet. Lori und ich nutzten eine unserer ruhigen Stunden bei Jasmintee und Datteln, um Juliette ein wenig auf den Zahn zu fühlen, weil uns schien, daß sie uns auswich. Allerdings mußten wir sie nicht sehr bedrängen, bis sie uns von der Affäre mit ihrem Chef erzählte. In mir schrillte sofort die Alarmglocke der alten Häsin, und ich warnte sie, Arbeit und Liebesleben nicht miteinander zu mischen, weil sie dadurch beides verlieren würde. »Er nutzt dich aus, Juliette. Wie praktisch! Er kriegt die Assistentin und die Geliebte für dasselbe Geld«, sagte ich. Aber sie saß schon in der Falle. Uns war nicht entgangen, daß Juliette Männer anzog, die ihr sehr wenig zu bieten hatten, die verheiratet waren, viel älter als sie, weit entfernt lebten oder unfähig waren, sich zu binden. Ben paßte gut in dieses Bild, jedenfalls wirkte er auf uns wie einer, der sich nicht festlegen will. Willie meinte, im heutigen hedonistischen Kalifornien werde sich kein Mann die Verantwortung für eine junge Witwe mit zwei kleinen Kindern aufladen, aber meine Astrologin, die ich wieder aus Furcht vor dem Spott der anderen heimlich konsultierte, sagte, in einigen Jahren würden die Planeten den idealen Partner für Juliette schicken. Ben war den Planeten zuvorgekommen.
    Als wir aus Afrika heimkehrten, waren in Juliettes Liebesabenteuer die ersten dunklen Wolken aufgetaucht. Offenbar war Bens Vermögen nicht auf sein gutes Auge für Kunst, sondern auf das Erbe seiner Ehefrau zurückzuführen. DieGalerien waren eine Form der gehobenen Freizeitbeschäftigung und sorgten dafür, daß man auf der gesellschaftlichen Welle obenauf schwamm. Bens häufige Reisen nach San Francisco und die Telefonkonferenzen im Flüsterton begannen den Argwohn seiner Frau zu wecken.
    »Es ist nicht ratsam, sich mit verheirateten Männern einzulassen, Juliette«, sagte ich ihr, in Gedanken bei den Dummheiten, die ich als junge Frau begangen hatte und die ich teuer bezahlen mußte.
    »Es ist nicht so, wie du denkst, Isabel. Was hätten wir tun sollen? Es war Liebe auf den ersten Blick. Er hat mich nicht verführt und mir nichts vorgemacht, wir

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