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Das Siegel der Tage

Das Siegel der Tage

Titel: Das Siegel der Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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mathematischen Kenntnisse dachten wir, er könne sich am Aktienmarkt betätigen, aber das schien ihm zu riskant. Ich erzählte ihm den Traum von den Pferden, als Sinnbild, daß man fallen und wieder aufstehen kann, und er meinte, das sei ja schön und gut, aber nicht er habe das geträumt.
    Gesundheitlich konnte Lori nichts für ihn tun, aber sie unterstützte ihn und stand ihm unbeirrt bei, obwohl sie selbst Hilfe hätte brauchen können, denn sie wünschte sich unbedingt ein Kind und hatte eine quälende Fruchtbarkeitsbehandlung begonnen. Vor ihrer Heirat hatte sie natürlich mit Nico über Kinder gesprochen. Sie konnte ihren Kinderwunsch nicht aufgeben, so lange schon hatte sie auf eine wahre Liebe gewartet, um ihn sich zu erfüllen, aber Nico widersetzte sich zunächst, weil er seinen Nachkommen womöglich Porphyrie vererbte, aber vor allem, weil er bereits drei Kinder hatte. Er war sehr jung Vater geworden, hatte die Freiheiten und Abenteuer, die Loris erste fünfunddreißig Lebensjahre gefüllt hatten, nie erlebt, und wollte die Liebe, die ihm so unverhofft begegnet war, in vollen Zügen genießen, Gefährte sein, Liebhaber, Freund und Ehemann.In den Wochen, in denen die Kinder bei Celia und Sally waren, lebten Nico und Lori als Liebespaar, doch in der übrigen Zeit waren sie ausschließlich Eltern.
    Sie sagte, Nico begreife ihr Gefühl der Leere nicht, und hatte, vielleicht zu Recht, den Eindruck, niemand sei bereit, im familiären Puzzle auch nur ein Steinchen zu verschieben, um Platz für sie zu schaffen – sie fühlte sich wie eine Fremde. Wurde ein mögliches weiteres Kind nur erwähnt, konnte sie die Ablehnung spüren, und das war zum großen Teil meine Schuld, weil ich sie zunächst nicht bestärkte. Ich brauchte über ein Jahr, bis mir klar wurde, wie wichtig es ihr war, Mutter zu werden. Zwar gab ich mir Mühe, ihr nicht reinzureden, weil ich sie nicht verletzen wollte, aber mein Schweigen sprach Bände: Ich dachte, ein kleines Kind werde ihr und Nico das bißchen Freiraum nehmen, das sie hatten, und fürchtete außerdem, es werde meinen Enkeln den Rang ablaufen. Zu allem Unglück malte eines der Mädchen zum Muttertag mit viel Liebe eine Karte und schenkte sie Lori, und kurz darauf wollte sie das Geschenk zurück, um es Celia zu geben. Für Lori war das wie ein Stich ins Herz, auch wenn Nico tausendmal beteuerte, das Kind sei noch zu klein, um sich klarzumachen, was es getan hatte. Loris Pflichtbewußtsein wirkte fast wie eine Buße; sie kümmerte sich geradezu verzweifelt um die Kinder und tat alles für sie, als wollte sie wettmachen, daß sie die drei nicht als die eigenen empfand. Und das waren sie nicht, sie hatten ja eine Mutter, aber wie sie Sally adoptiert hatten, waren sie auch ohne weiteres bereit, Lori zu lieben.
    In dieser Zeit wurden etliche von Loris Freundinnen schwanger, war sie von einem halben Dutzend Frauen umgeben, die stolz ihre Bäuche vorzeigten, es gab kein anderes Gesprächsthema mehr, die Luft roch nach Nachwuchs, und Lori fühlte sich immer stärker unter Druck, weil ihre Chancen auf ein Kind mit jedem Monat schwanden, wie ihr der Spezialist erklärte, bei dem sie in Behandlung war. Lori kames nie in den Sinn, auf ihre Freundinnen eifersüchtig zu sein, im Gegenteil machte es ihr Freude, sie zu porträtieren, und so entstand eine außergewöhnliche Serie von Bildern zum Thema Schwangerschaft, die hoffentlich eines Tages als Buch erscheint.
    Nico und Lori gingen zusammen zur Therapie, und dort besprachen sie diese Angelegenheit sicher gründlich. Einer Eingebung folgend, rief Nico in Chile bei Onkel Ramón an, auf dessen Urteil er blind vertraut, und bekam zu hören: »Wie kannst du von Lori erwarten, daß sie die Mutter deiner Kinder ist, wenn du nicht bereit bist, der Vater von ihren zu sein?« Diesem Sinn für Gerechtigkeit konnte Nico sich nicht entziehen. Er gab nicht nur nach, sondern begeisterte sich sogar für die Idee; doch am Ende fiel die ganze Last der Entscheidung wieder auf Lori zurück. Klaglos unterzog sie sich allein der Fruchtbarkeitsbehandlung, die ihr körperlich und emotional schwer zu schaffen machte. Immer hatte sie sich vernünftig ernährt, hatte Sport getrieben und versucht, ein gesundes Leben zu führen, und jetzt fühlte sie sich von diesem Bombardement aus Medikamenten und Hormonen wie verseucht. Die Versuche schlugen wieder und wieder fehl. »Wenn die Wissenschaft versagt, muß man es in die Hände von Pater Hurtado legen«, riet meine treue

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